: Die geniale Abschreiberin
■ KU-TIP 1: Vernissage in der GAK mit Wortskulpteurin F. Banner
In vier raumhohe, ach was, altarbildhohe Tafeln sind ein paar kleine, wohlplazierte Gehässigkeiten eingeritzt. Sinngemäß ungefähr so: Wenn Du nur mal in meine Augen hineinschlüpfen könntest, würdest Du endlich erkennen, wie langweilig du bist. Etwa die widerlichen Zerfallsprodukte einer abhandengegangenen Liebe? Nein, es ist ein Song aus einer Wendezeit in der Karriere Bob Dylans. Als dieser nämlich die Frechheit hatte, sich vom Folkhero in einen Rockstar zu verwandeln und deshalb vom treuen Stammpublikum der Häresie bezichtigt wurde, schimpfte er zurück im Song „Positively fourth street“. Ein kleines Kunststück der Selbstrechtfertigung. Das war um 1967, ein Jahr nach Fiona Banners Geburt. Nun ist es nicht so, daß die Londoner Wortkünstlerin ihre eigene Situation widergespiegelt fühlte in Dylans Kampf gegen die Vorerwartungen des Publikums. Eher schon interessiert sie die Mischung aus Wehrhaftigkeit und Verletzlichkeit. Und geradezu archetypisch für alle Kunst erscheint ihr, wie dieses Lied den Zuhörer aggressiv anspringt und gleichzeitig um Liebe und Erbarmen wirbt.
Noch viel ausufernder ist Banners Auseinandersetzung mit einem anderen Partikel der Main-streamkultur. Nämlich mit sechs Hollywoodfilmen über Vietnam (Apokalypse now, Deer hunter, Platoon...). In einer brockhausdicken Schwarte hat sie mit Hilfe eines Videorekorders und tausendfachem (vermutlich fingerblasenerzeugendem) Betätigen der Stop- und Go-Tasten Bildeinstellung für Bildeinstellung mit Teufelsgeduld bis in die letzte Blutrünstigkeit nacherzählt. Natürlich ist dies Unterfangen absolut verrückt, erstens, weil niemand diese Filmverbuchung lesen wird, zweitens, weil sich Film nicht in Literatur übersetzen läßt. Denn, wo der Film sein Personal durch Bilder – Klamotten, Gesten... – charakterisiert, würde jeder Schriftsteller zu subtileren Mitteln – Innerer Monolog, Erzählerkommentare... – greifen.
So hat diese Prosa den Reiz der Sperrigkeit von Übersetzungen, welche die Grammatik der Originalsprache beibehalten – but with this method can you something learn. Auch ist es eine Sensibilisierungsschule, wenn Banner etwa genau den Weg der Sandwolken durchs Bild beschreibt, die von einem Hubschrauber aufgewirbelt wurden. Irgendwie ist die Arbeit sogar brandheiß, seit aufgrund des Kosovokriegs die aktuellen Wehrhaftes-Amerika-Filme (Independence day) als latent kriegstreiberisch gedeutet werden – und die Vietnamfilme davor entweder als erste Rückerorberung des Krieges durchs Kino oder (durch ihren Ekelgrad) als Argument gegen Bodentruppen.
Als Banner am letzten Satz dieser beeindruckenden Dokumentation ihres persönlichen Durchhaltevermögen anlangte, war sie so happy, daß sie ihre nächste Arbeit just jenem runden, satten Schlußpunkt widmete. So rollen etwa 20 findlingssteingroße Schlußpunkte aus Styropor über den Boden des GAK. Und weil jedes Ende anders ist, haben sie mal schiefe, mal kantige, mal kristalline Kontur. In Wahrheit sind sie je nach Wahl der Schriftype (Futura, Courier, DeChirico...) verschieden. Und gemalt sind sie fulminant wie Sonnenaufgänge oder entfärbte Ruppert Geiger-Bilder. bk
Bis 11. Juli. Vernissage: Sa, 17 Uhr. „Eröffnet“ wird in der Tordurchfahrt der Weserburg auch die kluge Bildsequenz, die Bert Haffke aus gefundenem Fotomaterial beziehungsreich arrangierte. Da wird ein Fingerabdruck zum Sternenhimmel und die lebensnotwendige Hand Reis zur ganzen Welt.
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