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Ein Don wie du und ich

■ Aber dabei auf dem Weg zum Neuen Mann: Robert De Niro als neurotischer Mafioso in „Reine Nervensache“ von Harold Ramis

O Jammer. Jetzt bekommen Mafiosi auch noch Schuldkomplexe, nur weil sie einen leidigen Konkurrenten liquidieren lassen. Eigentlich lag die Idee auf der Hand: Der klassische Mafiafilm trifft die Psychoanalyse. Denn wie heißen die Clans der rauhbeinigen Männer so treffend: Familien. Und so müßte „Analyse This“, der neue Robert De Niro, pfiffig nicht „Reine Nervensache“, sondern besser „Familientherapie“ heißen.

Der Film ist nicht von Woody Allen, und so entwickelt sich die Beziehung zwischen Angstneurotiker Paul Vitti (Robert De Niro) und seinem Psychodoc Ben (Billy Crystal) als Therapiegeschichte mit ziemlich viel Witz, Ironie und Spannung. Das Komödiantische bleibt Vehikel für einen modernisierten, aber doch letztlich klassischen Genrefilm. Hier wird kein Pate auf der Couch verraten.

Aber Paul Vitti ist so ein Typ, der vor seinen dicken, fiesen New Yorker Gangsterkollegen eben auch richtig Angst bekommt. Ein Don wie du und ich. Als ihm der erste Arzt dann eine „Panikattakke“ attestiert, bekommt der natürlich eine aufs Maul.

Vitti aber weiß: Er kann das nächste Treffen der Bosse nur als Sieger überstehen, wenn er cool bleibt. Und cool kann er nur bleiben, wenn er die Beziehung zu seinem Vater und seiner Mutti klärt. Mit Paps ist er mal in eine Schießerei geraten und hat dabei als kleiner Junge irgendwie versagt, ist also schuld am Tod des Vaters. Das ist schon hart genug zu ertragen, schlimm und zum Heulen wird's aber, als ihm Ben eröffnet, daß es da diesen Komplex mit dem Griechennamen gibt. „Willst du etwa behaupten, ich wollte meine Mutter ficken. Hast du meine Mutter mal gesehen?“ Auch diese Therapiesitzung bricht der Analysierte ab, um beim nächsten Mal zu gestehen, jetzt habe er immer ganz komische Gefühle, wenn er mit seiner Mutter telefoniert. Schon zappelt Robert De Niro im ödipalen Dreieck wie ein Fisch im Netz.

Auch für Ben ist die Übertragungsliebe des Patenpatienten nicht ohne Streß. Als braver Analytiker will er seine Frau heiraten, wird in den Vorbereitungen aber immer wieder von Vittis Leibwächtern unterbrochen. Kurz vorm Jawort will sein Privatpatient etwas loswerden und muß schon wieder heftig losweinen. Der Neue Mann ist auf dem Marsch durch die sozialen Instanzen nun endlich auch im Gangsterboßberuf angekommen.

Paul Vittis Kastrationsangst wird erst geheilt, als er mit seinem Analytiker in eine Schießerei verwickelt wird. Hinter einem Autowrack haben sich die beiden gerade eingestanden, daß sie voneinander und von schwarzer Milch geträumt haben, da setzt der Kugelhagel ein. In diesem Initiationsritus zum Mann kann nun auch der Doc seine neurotische Ladehemmung überwinden: Sein Schnellfeuergewehr wird zum Superphallus, das Blei spritzt nur so durch die Gegend und in andere Körper. Mit dieser Tötung rettet er gleichzeitig das Leben seines Patienten. Wenn der nun noch die Bosse beeindruckt und bei seiner Geliebten wieder einen hochkriegt, ist die Familie gerettet. „Freud, oder wie der Kerl heißt“, hätte seine helle Freude an dieser exemplarischen Fallstudie der Heilung des impotenten Robert De N. Andreas Becker

„Reine Nervensache“. Regie: Harold Ramis. Mit Robert De Niro, Billy Crystal, Lisa Kudrow, USA 1999, 103 Min.

Fallstudien revisited: Direkt neben dem Paten liegt natürlich Woody Allen mit auf der Couch

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