Vergoldete Vasen schmiss er an die Wand

■ Eine Retrospektive des strengen Töpfers Jan Bontjes van Beek in der Großen Orangerie

Beim Stichwort Keramik denken die meisten reflexartig an Flohmarkt und Terrakottascheußlichkeiten. Dass der Einsatz von Ton und Glasur fern von Beschäftigungstherapie und Selbsterfahrung zu eleganten und sinnlich ansprechenden Ergebnissen führen kann, beweist die am Sonntag in der Großen Orangerie des Charlottenburger Schlosses eröffnete Ausstellung des „Fördervereins Keramikmuseum Berlin“ zum hundertsten Geburtstag von Jan Bontjes van Beek.

Der Berliner Keramiker gilt geradezu als Lichtgestalt des Kunsthandwerks. Kaum ein anderer Töpfer in Deutschland hat ein so breit gefächertes Werk hinterlassen. Vor allem in seiner Berliner Werkstatt entstanden zwischen 1933 und 1943 herausragende Keramiken: schlichte, bisweilen fast streng wirkende Schalen und Vasen. Noch ungewöhnlichere Formen entwickelte Bontjes van Beek in den sechziger Jahren, als er an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste Keramik lehrte. Hier fügte er Kugel, Kegel und Zylinder zu Kombinationen, die noch heute frisch und fremd wirken.

Bontjes, in Dänemark geborener Sohn holländischer Eltern, ist in vielerlei Hinsicht ein Original. Vielleicht am verblüffendsten: So gut wie keines der mit seinem Künstlerzeichen markierten Stücke hat er selbst gedreht. Seine Witwe sagt, er habe „nicht das Sitzfleisch“ dafür gehabt.

Lieber widmete er sich der Entwicklung komplizierter und streng gehüteter Glasuren. Diese kamen nicht nur bei hochgebrannten Steinzeugunikaten zum Einsatz, sondern auch bei Stücken aus industrieller Serienfertigung. Nach Bontjes Vorgaben produzierte Rosenthal in den fünfziger Jahren eine Vasenserie; in Zusammenarbeit mit dem keramischen Werk Dr. Ungewiß in Bad Oeynhausen entstanden zeitgleich schlichte, matt schwarz oder matt weiß glasierte Keramiken.

Nach dem Krieg leitete Bontjes zunächst die Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee und später die Meisterschule für das Kunsthandwerk in Charlottenburg. Ein unkomplizierter Zeitgenosse ist der Keramiker nie gewesen, wie im Ausstellungskatalog von Volker Ellwanger nachzulesen ist. Ellwanger, Mainzer Professor für Keramik, muss es wissen: Er studierte in den fünfziger Jahren beim strengen Meister.

Bontjes' fachlichem und ästhetischem Urteil hatten sich alle zu beugen, seine Dreher, seine Geschäftspartner und selbst der Schah von Persien. Der hatte bei Rosenthal 3.000 Stück einer Bontjes-Vase geordert, aber eine Bedingung gestellt: Die Vasen sollten vergoldet werden. Als Bontjes mit dem Probestück konfrontiert wurde, donnerte er es gegen die Wand, und über den Auftrag wurde nie wieder gesprochen.

Zum allmächtigen Vorbild für spätere Keramiker ist Bontjes trotz aller Anerkennung nicht geworden: In den dreißig Jahren seit seinem Tod hat sich die Studiokeramik kontinuierlich in Richtung Skulptur entwickelt. Wer heute anspruchsvolle Gefäßkeramik kaufen möchte, muss lange suchen. Am Ende landet er vielleicht bei den dickwandigen Geschirren der Koreanerin Young-Jae Lee von der Werkstatt Margarethenhöhe oder bei den an Bontjes und Otto Douglas-Hill erinnernden Vasen des Ellwanger-Schülers Martin Schlotz. Reinhard Krause

Bis 26. September, tägl. außer Mo., 11 bis 21 Uhr. Der Katalog kostet 49,80 DM