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Viel Fleisch, wenig Geduld

■ Bei Nackt-Performance in Friedrichshain entbrannte eine heiße Debatte über Erotik und Kunst

Lust auf Fleisch? Lust auf blutjunge Mädchen und Jungs? In einem ehemaligen Fleischwarengeschäft am Frankfurter Tor wurde gestern viel nacktes Fleisch ausgestellt. Die drei Initiatoren der Performance, Iris Hamelberg, Susanna Kirschnick und Claudia Schömig, ließen mit einigen Freunden alle Hüllen fallen. Damit wollten sie auf leer stehende Gewerberäume aufmerksam machen. Das Projekt wurde von der Hausverwaltung Optima genehmigt.

„Lecker“, sagt ein junger Mann und reibt sich die Hände. Er ist einer der wenigen, die vor dem Schaufenster stehen bleiben und sich die nackten Körper ansehen. Die Köpfe bleiben hinter einem Papierstreifen verborgen, er kann nur die Unterkörper sehen. Eine Frau ist schwanger, eine andere hat über dem Schambein eine Narbe.

„Für Kinder ist das nicht schön“, sagt eine alte Frau und nimmt ihre Enkelin in den Arm. Dieser Anblick soll ihr erspart bleiben. Die meisten Passanten gehen hastig vorbei oder schauen nur verstohlen auf die Brüste. „Das ist Kunst“, sagt ein etwa 40-jähriger Ordnungshüter. Er will die Veranstaltung nicht etwa auflösen, sondern den Leuten als Ansprechpartner dienen, auch wenn er nicht beurteilen kann, „ob das hocherotisch ist“. Denn, sagt er, „aus dem Alter bin ich raus“.

Ein Mann mit Hut, der sehr wohl etwas von Erotik versteht, ist anderer Meinung „Das soll Kunst sein? Das ist doch keine Kunst. Das kann doch jeder.“ Mit den Laiendarstellern tauschen möchte er aber nicht. Bevor er weiterfährt, schaut er sich alles noch einmal genau an. Der junge Mann, der sich immer noch die Hände reibt, fragt einen der Kunstliebhaber, ob er seine Freundinnen gesehen habe. „Eine Große und eine Kleine. Wir wollten uns hier treffen.“ „Schau doch mal genau hin“, sagt der andere, „vielleicht erkennst du sie ja.“ Dann lacht er und wendet sich ab wie viele andere auch, die es mit einem Mal sehr sehr eilig haben. Jan Brandt

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