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Nachtalarm im Hause Basler

■  Beim 1:0-Sieg seines 1. FC Kaiserslautern bei einer ratlosen Frankfurter Eintracht spielte Kneipenfreund Mario Basler erstmals brav mit und hielt sogar 72 Minuten durch

Frankfurt (taz) – „Noch mal!“ Diesmal hatten sie in der PR-Abteilung von Eintracht Frankfurt nicht lange überlegen müssen, mit welchem Slogan man auf den Plakaten für das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern wirbt. „Noch mal!“ Auch die Wahl des Fotos fiel denkbar leicht: Der zweitberühmteste Übersteiger der Fußballgeschichte (nach dem von Guido Buchwald bei der WM 1990), jener von Jan-Age Fjörtoft, im Mai 1999 im entscheidenden Abstiegsspiel gegen ebenjenen 1. FC Kaiserslautern.

Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach jenem legendenumwobenen 29. Mai sah die Realität eher trist aus. Sang- und klanglos unterlag die Eintracht mit 0:1. Kaiserslautern feierte den sechsten Sieg in Folge und schielt allmählich wieder in Richtung Champions League. Doch von Spektakel war diesmal keine Spur.

Es hat sich einiges verändert in den letzten sechs Monaten – nicht unbedingt bei beiden Teams. Während die Frankfurter sich nun endgültig auf einen neuen nervenzerreibenden Abstiegskampf einstellen – den adäquaten Trainer hat man ja bereits –, wollten die Jubelarien beim Gegner gar kein Ende nehmen: „Wir sind jetzt wieder vorne dabei, da wollten wir hin“, war Präsident Keßler entzückt. Fünf starke Minuten vor der Pause hatten gereicht, um den letztlich ungefährdeten Erfolg sicherzustellen. Fünf Minuten, in denen der nach landauf und landab vorherrschender Einschätzung derzeit stärkste Bundesligakicker die Akzente gesetzt hatte.

Weltmeisterlich trumpfte Youri Djorkaeff zwischen der 40. und 45. Minute auf, traf Pfosten und Latte des Frankfurter Gehäuses und spielte die Eintracht-Deckung derart konfus, dass Manndecker Harry Koch das goldene Tor erstochern konnte. Auch Manager Jürgen Friedrich hatte wohl Djorkaeff im Auge: „Wir spielen mit dem besten Kader, den wir je hatten. Da muss doch einfach was herauskommen.“

Oder sollte er einen anderen gemeint haben? Denn da spielte ja –wieder einmal – noch einer mit: Mario Basler (30). Erstmals für seinen neuen Asylgeber. Am späten Samstagabend, es muss so ungefähr zur Sport-Studio-Zeit gewesen sein, hatte Otto Rehhagel kurz entschlossen zum Hörer gegriffen. Andreas Buck hatte sich gerade krank gemeldet. Dank modernster Telekommunikation meldete sich alsbald am anderen Ende der Leitung: er, Mario Basler. Wir wissen nicht, wo ihn Rehhagel genau erreichte, angeblich daheim in Neustadt. Aber wir wissen: Es war der Auftrag zum Stiefelschnüren. Gesagt, getan – 24 Stunden später meinte Rehhagel zufrieden: „Mario hat seine Sache gut gemacht, klug und clever gespielt.“

Wie einst in Bremen war Basler im rechten Mittelfeld aufgelaufen, feierte jedoch ein eher unspektakuläres Comeback. Brav hielt er seine Position, schlug ein paar hübsche Flanken und huldigte bei einem Eckball der Lauterer Fankurve. Die klatschte jedenfalls tüchtig, als sein Auftritt nach 72 Minuten ein Ende hatte. Ziehvater Otto empfing ihn an der Außenlinie mit einer demonstrativ innigen Umarmung.

Auch nach dem Spiel fiel Basler nicht besonders auf: „Ich war sogar nervös. Es war schon ein gutes Gefühl, endlich wieder dabei zu sein. Hinten habe ich meine taktische Aufgabe erfüllt, nach vorne kann ich natürlich erheblich besser spielen“, speiste er die begierigen Journalisten mit Aussagen aus dem Standardrepertoire ab. Und blickte zufrieden in die langen Gesichter der Pressevertreter. „Mario wird sich nicht ändern“, erklärte Manager Friedrich, „allerdings ist er gewitzter geworden.“

Davon kann bei der Eintracht keine Rede sein. Trainer Jörg Berger musste auf Kapitän Weber verzichten und hatte den indisponierten Horst Heldt auf die Bank beordert. Fjörtoft vergab die beiden einzigen Chancen kläglich. „Mangelnde Cleverness, Abgeklärtheit, Klasse und Routine“, hatte Berger erneut gesehen. „Bei uns wiederholen sich von Woche zu Woche die gleichen Abläufe.“ Und Fjörtoft: „So kann es nicht mehr weitergehen. Schlechter geht es gar nicht mehr.“ Doch das sagt der Übersteiger von einst inzwischen regelmäßig. Die Helden vom Mai sind derzeit ratlos.

Klaus Teichmann/Bernd Seib

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