Japan hebt die Sanktionen gegen Nordkorea auf

Pjöngjang hofft mit einer Verbesserung seiner Beziehungen zum Erzfeind Japan auf dringend benötigte Lebensmittelhilfen, viel Geld und ein international aufgebessertes Image

Tokio (taz) – Japans Regierung hat gestern die Aufhebung aller gegen Pjöngjang vor 16 Monaten verhängten Sanktionen angekündigt. Damit wurde der Weg für umfangreiche Lebensmittellieferungen und die Aufnahme von Verhandlungen über eine Normalisierung der beiderseitigen diplomatischen Beziehungen geebnet. Genaue Termine wurden aber noch nicht genannt.

Tokio hatte die Sanktionen verhängt, nachdem Nordkorea Ende August 1998 eine Mittelstreckenrakete abfeuerte, die über die japanische Hauptinsel hinwegschoss. Was Nordkorea als Start eines Satelliten bezeichnete, wertete Japan als Raketentest und Einschüchterung. Als Pjöngjang vergangenen September den Test einer weiteren Mittelstreckenrakete auf Druck der USA absagte und dafür mit einer Teilaufhebung wirtschaftlicher Sanktionen belohnt wurde, streckte auch Tokio die Fühler wieder zum international isolierten Nordkorea aus.

Vor zwei Wochen leitete die Reise einer hochrangigen japanische Parlametarierdelegation in die nordkoreanische Hauptstadt das jüngste Tauwetter zwischen Tokio und Pjöngjang ein. Beide Seiten vereinbarten, die 1992 abgebrochenen Verhandlungen über eine Normalisierung der Beziehungen noch in diesem Jahr wieder aufzunehmen. Als Lohn für die Gesprächsbereitschaft Pjöngjangs will Japan jetzt Lebensmittel über Rotkreuz-Organisationen nach Nordkorea schicken.

Außerdem ist jetzt auch die Sanierung der von Nordkoreanern in Japan geführten Kreditinstitute gesichert. Japans Finanzaufsicht plant eine Infusion von umgerechnet rund 18 Milliarden Mark in 13 bankrotte Kreditinstitute, die der nordkoreanischen Diaspora in Japan dienen. Diese politisch brisante Unterstützung ist politisch nur mit einer Verbesserung der Beziehungen zu Pjöngjang durchsetzbar. Denn Nordkorea profitiert indirekt von dieser Hilfsaktion, weil damit die lebenswichtigen Geldspenden der Exil-Koreaner in Japan wieder ins Land fließen werden. Die Überweisungen der rund 220.000 Nordkoreaner in Japan werden auf jährlich 2,4 Milliarden Mark geschätzt.

Pjöngjangs neue Gesprächsbereitschaft half auch das internationale Image Nordkoreas aufzubessern. Der kommunistischen Führung wird unter anderem vorgeworfen, Konzentrationslager zu unterhalten und die Armee auf Kosten der Ernährung der Bevölkerung aufzurüsten.

Nach langen Verzögerungen soll heute auch in Südkoreas Hauptstadt Seoul das Abkommen zum Bau von zwei Leichtwasserreaktoren in Nordkorea abgeschlossen werden. Japan und Südkorea werden rund zwei Drittel der Kosten von 4,6 Milliarden Dollar tragen.

Nordkoreas Bevölkerung steht vor einem schweren Winter. Nach bald vier Jahren Hungersnot fehlen auch dieses Jahr wieder 1,3 Millionen Getreide zur Grundversorgung der Menschen im hermetisch abgeriegelten Land. „Die Krise ist keineswegs vorüber“, warnte gestern David Morton, der Koordinator der UN-Hilfe in Pjöngjang. Die zunehmend härteren Lebensbedingungen im Lande haben zu einer konzilianteren Haltung der Führung gegenüber dem Ausland geführt. André Kunz