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Netzwerk mit Moscheen und Kopierer

■ Die Regierung von Malaysia will das Internet in ihrem Lande entwickeln. So lange will aber die Opposition nicht warten. Sie hat ihre eigene Low-Tech-Lösung für die letzte Meile zum Empfänger ihrer Botschaften gefunden

Raja Petra Kamaruddin hat sichtlich Spaß an seinem Job bei der „Nationalen Gerechtigkeitspartei“: Er ist dafür zuständig, die Botschaft der malaysischen Opposition unter die Leute zu bringen. Weil die meisten Zeitungen und der Rundfunk die Linie der Regierung vertreten, musste der frühere Journalist sich etwas anderes ausdenken: „Wir haben“, sagt er fröhlich, „das große Netzwerk der Moscheen und das Internet genutzt. Diese Kombination ist großartig.“ Das Ergebnis ist beeindruckend: Zwar konnte Mahathirs Koalition bei den Parlamentswahlen im November ihre Mehrheit von über zwei Dritteln der Sitzen behalten. Aber die vier Parteien der „Alternativen Front“ erzielten über vierzig Prozent aller Stimmen – trotz der großen finanziellen und politischen Übermacht der Regierung.

Das Geheimnis des Erfolgs: „Die Fotokopierbrigade“. So bezeichnet Raja Petra „die Leute, die unsere Informationen auf ihren Computern lesen, ausdrucken, vervielfältigen und in den Gebetshallen des ganzen Landes verteilen“. An rund 30.000 Internetbenutzer schickte der Aktivist vor der Wahl täglich Artikel und Ankündigungen über Aktivitäten der Opposition, die auf ein bis zwei DIN-A4-Seiten passten. Es erschienen jeweils eine Ausgabe in englischer und eine in malaysischer Sprache. „Manche Empfänger haben nur zehn Kopien angefertigt, andere sogar tausend Stück – und das auf eigene Kosten.“

Die Folge: Die Berichte aus den Zentralen der Oppositionsgruppen erreichten nicht nur junge, gut ausgebildete Städter, sondern auch die Bauern und Plantagenarbeiterinnen im tiefsten Hinterland. Raja Petra: „Die Mullahs haben das sehr unterstützt – vor allem, da ihre eigenen Reden und Aufrufe sich nun ebenfalls schnell durchs Land bewegten. Im November startete eine kleine Gruppe von Journalisten zudem die erste reine Internetzeitung des Landes, Malaysiakini (Malaysia heute). Die vier fest angestellten Redakteure und zahlreiche freie MitarbeiterInnen wollen eine professionelle und unabhängige Zeitung (www.malaysiakini.com) produzieren. Nach eigenen Angaben schauen täglich bis zu 75.000 Leser herein. Finanziert wurde der Start unter anderem mit Zuschüssen des südostasiatischen Journalistenverbandes „Seapa“, der sich für Pressefreiheit in der Region einsetzt.

So hatte der Premierminister sich das wohl nicht vorgestellt, als er laut von einem futuristisch vernetzten Malaysia träumte und unermüdlich für die neuen Kommunikationstechnologien warb, um sein 22-Millionen-Einwohner-Land international konkurrenzfähig zu machen: Unversehens hatte er damit seinen Kritikern eine Waffe in die Hand gegeben. Heute ist das Internet zur wichtigsten Informationsquelle vieler Malaysier geworden, die über die Entlassung und rüde Behandlung von Ex-Vizepremier Anwar im September 1998 entsetzt waren. Der Herausgeber von Harakah, Zulfikli Sulong, ist am 13. Januar wegen „Volksverhetzung“ verhaftet worden. Seine Zeitung hatte einen Artikel veröffentlicht, in dem die Gerichte und Medien des Landes kritisiert wurden.

Inzwischen surfen schon rund 500.000 bis 600.000 Malaysier im Netz, wo sie sich auf mehr als vierzig verschiedenen Internet-Sites der Opposition informieren können. Die meisten dieser Sites mit Namen wie „berita.webjump.com“ oder „anwaribrahim.org“ sind im Ausland registriert, um der malaysischen Zensur zu entgehen. Auch die Regierungspartei und andere Mahathir-nahe Gruppen sind im Internet vertreten. Aber sie werden nur wenig besucht: „Warum auch“, sagt ein Geschäftsmann, „das kann ich ja auch in der Zeitung lesen.“

Doch ganz ungefährlich ist auch das Internet für Malaysias Oppositionelle nicht. Anfang letzten Jahres richteten die Politiker in Kuala Lumpur eine neue Überwachungskommission ein. Sie soll alle Publikationen daraufhin abklopfen, ob Regierungsmitglieder beleidigt werden. Ihre Mitglieder schreiben Gegendarstellungen und prüfen, ob die Verfasser der kritischen Artikel möglicherweise auf Schadenersatz verklagt werden können. Zu dieser Kommission gehört auch eine Internetabteilung, deren Mitarbeiter nur damit beschäftigt sind, Diskussionsforen und Websites zu durchforsten. Jutta Lietsch

lietsch@ksc7.th.com

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