: The never-ending utopia
Der Transrapid soll leben. Obwohl er seit langem am Ende ist ■ Von Richard Rother
Morgen wird wahrscheinlich das Ende der Transrapid-Strecke Hamburg – Berlin verkündet, aber so richtig tot soll das Projekt dennoch nicht sein. Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) und die Vertreter von Deutscher Bahn AG und Industrie zucken noch und werden weiterhin Alternativen ins Spiel bringen.
Hoch im Kurs: die Anbindung des künftigen Berliner Großflughafens Schönefeld an den künftigen Hauptbahnhof, die Bahn-Chef Hartmut Mehdorn als Ausweichvariante ins Spiel gebracht hatte. Neben der Berliner Flughafenanbindung steht auch eine in München zur Diskussion.
Zudem haben sich gestern zehn deutsche und niederländische Industrie- und Handelskammern für den Bau einer Transrapid-Verbindung zwischen Amsterdam und Berlin über Oldenburg und Bremen ausgesprochen. Bei der Deutschen Bahn AG würden kürzere Alternativvariante auf Fachebene geprüft, so eine Sprecherein. Die Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft lehnt allerdings Alternativ-Überlegungen ab – sie will immer noch Hamburg-Berlin durchboxen.
Im Bundesverkehrsministerium hält man sich bedeckt. Konkrete Planungen für die rund 20 Kilometer lange Strecke zum Flughafen Schönefeld gebe es nicht, nurVorüberlegungen. „Rein technisch ist das alles machbar“, heißt es jedenfalls. In 15 Minuten könnten die Fluggäste zum Flughafen fliegen. Auch die Flughafenplanungsgesellschaft macht auf Optimismus: „Wir haben genug Platz für einen Transrapid-Anschluss am Airport eingeplant“, sagt Sprecher Burkhard Kieker.
Dabei gibt es allerdings einige Probleme, die auch das Bundesverkehrsministerium einräumen muss. Der Transrapid müsste teilweise durch Tunnel fahren, weil durchgängige Trassen durch die Innenstadt unrealistisch sind.
Die Befürchtung: Züge, die sich im Tunnel begegnen, könnten infolge der Druckwellen aus den Gleisen geworfen werden. Der Transrapid müsste langsamer fahren, als er kann. Der ohnehin marginale Zeitvorteil gegenüber dem geplanten Airport-Shuttle, der die Strecke in 20 Minuten bewältigen soll, wäre dahin. Und damit hätte sich erst recht der eigentliche Grund für die Alternativstrecke Hauptbahnhof – Flughafen Schönefeld erledigt: die Bedeutung als Referenzstrecke, um den Renner ins Ausland zu verkaufen.
Ein weiteres Problem ist die Lautstärke: Bei 160 Stundenkilometern ist der Transrapid lauter als ein normaler Zug. Ob sich das die CDU-Basis im kleinbürgerlichen Westberliner Süden gefallen ließe, ist zweifelhaft. Schließlich demonstriert sie bereits gegen den Ausbau der Bahntrasse zum Flughafen Schönefeld. Während die Bahn ebenerdig durch Reihenhaus-Stadtteile fahren will, favoritisiert die CDU im Sinne der Anwohner einen Tunnel.
„Von heute auf morgen wäre so ein neues Projekt nicht realistisch“, räumt man auch im Bundesverkehrsminsiterium ein. „Wir würden praktisch bei Null anfangen, das braucht mehrere Jahre.“ Völlig unklar sei, wer die Trasse baue, wer das Gefährt betreibe und wie alles finanziert werde. Schließlich könnten auch die magischen 6,1 Milliarden Mark, die der Bund für Hamburg – Berlin zu zahlen bereit ist, nicht einfach umgewidmet werden.
Auch in den Berliner Verwaltungen ist man skeptisch. Zwar ist Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) ein Fan des Projektes, und eine Sprecherin von Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) hält den Transrapid für „eine schöne Sache“ – an die Realisierung glaubt aber kaum jemand. „Das Ganze ist totaler Quatsch“, meint der SPD-Verkehrsexperte Christian Gaebler. Der Transrapid sei ein Fremdkörper im bestehenden Berliner Nahverkehrssystem.
Inoffiziell gibt es auch im Bundesverkehrsministerium Kritik an dem alternativen Transrapid-Projekt. Ein Referent: „Ich wohne am östlichen Stadtrand in Köpenick. Soll ich erst ins Zentrum fahren, um dann wieder raus zum Flughafen zu schweben?“
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