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didier baptiste und die entenproduzenten

von RALF SOTSCHECK

Die Engländer sind erstaunlich gutgläubig, wenn es um Fußball geht. Der FC Liverpool habe den französischen Spieler Didier Baptiste vom AS Monaco für umgerechnet zwölf Millionen Mark eingekauft, meldete die ehrwürdige Times. Ein Schnäppchen, freute sich das Blatt, denn Baptiste sei immerhin Junioren-Nationalspieler und gerade mal 18 Jahre alt. Die Fans des FC Liverpool frohlockten, waren doch die Rivalen Manchester United und FC Chelsea ebenfalls hinter dem begnadeten Ballkünstler her.

Dann kam die Enttäuschung, die Times musste sich am nächsten Tag berichtigen: Baptiste gehe zu Harchester United, dem englischen Pokalsieger. Harchester United? Dieser Verein ist ein Fantasieprodukt der englischen Soap Opera „Dream Team“, die zweimal in der Woche auf Sky One läuft. Da dämmerte es der Times, dass Didier Baptiste ebenso wenig echt ist. Man entschuldigte sich verschämt in einer Kurzmeldung bei den Lesern.

So billig kam das Blatt freilich nicht davon: Guardian und Independent gossen in ausführlichen Artikeln kübelweise Häme über den naiven Kollegen von der Konkurrenz, bei dem Realität und Fiktion offenbar verschwammen. Der verteidigte sich, dass er die Nachricht von höchster Stelle habe – der Telefon-Hotline des FC Liverpool. Dort können Fans für zwei Mark die Minute das Neueste aus dem Vereinsleben erfahren.

Der Verantwortliche für die Hotline wiederum hatte vom Baptiste-Einkauf in der News of the World gelesen, einem Wurstblatt, das wie die Times und Sky One dem Medienzar Rupert Murdoch gehört und wahrheitsgetreue Artikel als Zufallstreffer verbucht. Doch selbst dieses märchenhafte Druckerzeugnis hatte sich die Geschichte nicht ausgedacht. Man hatte sie von der seriösen Sportagentur Hayters übernommen und sich sogar die vollkommen unübliche Mühe gemacht, telefonisch nach der Quelle für die Nachricht zu fragen. Leider war der zuständige Hayters-Redakteur gerade zu Tisch, was News of the World als Bestätigung für den Baptiste-Wechsel wertete.

Und wie kam Hayters zu der Ente? Aus dem Internet, heißt es: Irgendjemand hatte Baptiste als Köder ausgelegt, um Leute auf seine Website zu locken. So nahm die Geschichte ihren Lauf. Merkwürdig nur, dass niemand der Entenproduzenten einen Blick ins europäische Fußball-Lexikon geworfen hat, das in jeder englischen Sportredaktion zu den Standardwerken gehört.

Andererseits geht es beim Fußball ja schon lange nicht mehr um eine fundierte Berichterstattung, sondern um den Nutzwert für die Beteiligten: Die Zeitungsauflage steigt bei jeder sensationellen Transfermeldung; die Vereine verscheuern auf einen Schlag einen Batzen Saisonkarten, wenn sie rechtzeitig das Gerücht ausstreuen, dass sie einen südamerikanischen Superstar an der Angel haben; und die Spieler erhöhen ihren Marktwert, wenn sie behaupten, der Krösusclub Manchester United sei hinter ihnen her. So hat es John Scales gemacht, um dem FC Liverpool ein paar zusätzliche Millionen zu entlocken. Bei dessen fußballerischen Fähigkeiten hätte Liverpool besser Baptiste verpflichtet, lästerte der Guardian.

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