kummerkasten:
Hotel Astoria, Rue Royal in Brüssel. In einer Ecke des noblen Fünf-Sterne-Palastes sitzt Fifa-Präsident Sepp Blatter. Zahlreiche Lakaien umschwärmen den Fußballpotentaten und reichen ihm kalte Getränke oder verdächtig aussehende Briefumschläge. Präsidenten der Verbände, die sich um die WM 2006 bewerben, rutschen auf Knien herbei und küssen Blatter die Füße. „Endlich mal jemand mit Rückgrat“, ruft der Schweizer aus, als er des taz-Reporters ansichtig wird, „kommen Sie, wir gehen an die Bar, wo uns dieses Gesocks nicht stören kann.“
taz (Distanz wahrend): Herr Blatter, uns ist zu Ohren gekommen, dass morgen beim Spiel Deutschland–England in Charleroi ein allgemeines Cannabisgebot erlassen werden soll.
Sepp Blatter: Sie sind gut informiert. Es ist in der Tat so, dass niemand ins Stadion darf, der nicht völlig bekifft ist.
Eine gewagte Maßnahme.
Angesichts der Brisanz des Spieles aber vertretbar. Sie haben ja sicher von den Erfahrungen der holländischen Polizei beim Spiel England–Portugal in Eindhoven gehört.
Klar. Völlig entspannt hätten die englischen Fans in den Coffee-Shops die Niederlage hingenommen. Manche sogar mit einem glücklichen Lächeln.
Ein lächelnder englischer Fan, überlegen Sie mal.
Schwer zu glauben.
Aber wahr.
Wie wollen Sie den allgemeinen Kiffzwang denn durchsetzen?
Mit scharfen Kontrollen natürlich. Seit gestern halten Amsterdamer Marihuana-Spezialisten Kurse ab, um den Ordnern zu vermitteln, wie man den beseelten Cannabisblick vom ordinären Suffglotzen unterscheidet.
Und wenn einer durchfällt?
Dann kriegt er vom Roten Kreuz schnell noch ein Pfeifchen verpasst.
Schlecht für Nichtraucher.
Wir haben auch Kekse.
Ich bin beeindruckt.
Tja. Wie meinte doch mein alter Freund Bob: „Everybody must get stoned.“ Apropos, wie wär’s mit einer kleinen Tüte?
Da sag ich nicht Nein.
Interview: MATTI LIESKE
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