: Das Leben als Liebesparade
Prototyp für eine ganze Generation von Berliner Bands: Das Jeans Team kann alles, steht nicht auf Muckertum und Theorie und hat mit „Ding Dong“ jetzt endlich sein Debütalbum veröffentlicht
von GERRIT BARTELS
Würde man in Berlin mal wieder eine kleine Umfrage nach der „besten Band der Welt aus Berlin“ machen, gäbe es bestimmt nur eine Antwort: das Jeans Team. Dieses besteht aus den vier Mitzwanzigern Reimo, Franz, Gunter und Henning und läuft als Boygroup auf Freundschaftsbasis und ohne Manager. Darüber hinaus gilt das Jeans Team aber auch als Prototyp für eine ganze Generation von Berliner Bands, die in den letzten Jahren in Wohnzimmern, Hinterhäusern und anderen Idyllen (Großraumdiscos!) viel Spaß miteinander hatten und abseits vom schöner wohnen, arbeiten, essen und trinken in der Neuen Mitte ganz ideologiefrei die eigenen Verquertheiten kultivierten.
Würde man nun wiederum eine Umfrage unter Berliner Plattenhändlern veranstalten, ob ihnen der Name Jeans Team ein Begriff ist, käme man höchstwahrscheinlich erneut auf ein sehr einhelliges Ergebnis: Nein, nie gehört, zero. Denn das Jeans Team existiert zwar schon seit fünf Jahren, tauchte auch hin und wieder auf einem Sampler oder mit einer Single auf, veröffentlicht aber erst jetzt sein erstes Album mit dem schönen Titel „Ding Dong“.
Was natürlich handfeste und weniger handfeste Gründe hat: Probleme, die richtige Plattenfirma zu finden; keine Lust auf den Popgeschäfts-Regelkreis von Album, Promotion, Tour und nächstem Album usw.; dann die Gewissheit, es nicht nötig zu haben, sich Zeit lassen zu können; das Vorrecht auf Unentschlossenheit; und natürlich auch ein bisschen Schusseligkeit und Verpeiltheit.
Da passt es auch, dass Reimo, Henning und Franz nicht zum verabredeten Interviewtermin im Büro ihrer Plattenfirma Kitty Yo auftauchen. Irgendwann schaut eine Labelmitarbeiterin zufällig durchs Fenster auf die Straße und erblickt dort Henning, wie er sich an einem Currywurststand seelenruhig mit einer Freundin unterhält. Als dann noch mal eine halbe Stunde später auch Reimo und Franz auftauchen, ist nach einer höflichen Entschuldigung das Gegiggel groß: Irgendwie hätten sie sich wohl in der Uhrzeit geirrt.
Dann allerdings erzählen sie ohne Arg und gern, wie „wir von zu Hause in Bremen weg sind, ganz allein in der großen Capital City waren, und unser Herz schlug“ (Reimo). Und wie sie dann die Galerie berlintokyo mitbegründeten, dort ein neues Zuhause fanden und schließlich die Hausband der Galerie wurden.
Die Galerie berlintokyo, gelegen in einem Hinterhof nicht weit von den Hackeschen Höfen, war drei Jahre lang die Heimstatt für die oben beschriebene Szene, eine Location, die Franz im Nachhinein als„eine Mischung aus Kunst, Musik, Party und Besäufnis“ bezeichnet.
Hier hatte das Jeans Team erste, viel umjubelte Auftritte, hier hatten sie eine Ausstellung, bei der sie kleine Plastiktütchen an die Wände hängten. Deren Inhalt: so genannte Jeansbärte und Cordletten sowie Polaroids mit lustigen (und obszönen!) Motiven. Zur Ausstellungseröffnung stiegen sie in eine große, selbst gebastelte Kugel, spielten darin einen Gig und übertrugen ihn parallel zu einem Konzertvideo auf mehrere Monitore nach drinnen und draußen: Kunst für ein Ausgehpublikum war das, und wer den Witz und die Subversion der Subversion nicht verstand, musste halt zu Hause Rockplatten hören.
Insofern sehen sie auch heute das Jeans Team nicht nur als Band, sondern als Trademark, unter der sie genauso gut Ausstellungen machen, Filme drehen oder Kühlschränke verkaufen können: „Wir können alles und sind dabei weit entfernt von Muckertum und Theorie“, lautet das Programm.
Was auch meint: Gemacht wird alles, was gefällt, alles, was ab Mitte der Siebziger an Einflüssen eingeprescht kam („auch Nena und Dschingis Khan“), alles, was man auf großen und kleinen Tasteninstrumenten und mit Gitarre, Bass und Schlagzeug spielen kann.
Auf „Ding Dong“ gibt es dementsprechend krautige, krude und infantile Lieder wie „Ranzi Beatz“, „My life’s a love parade“ oder „Scratch Rock“; dann wieder Elektronikrocker wie „Ein Atom“ und Hi Fans“; und schließlich auch zwei besinnliche, ja, poetische Lieder: „Lied der Liebe“ und „Baby“, zwei Liebeslieder auf die Galerie berlintokyo, die das Jeans Team manchmal eben doch sehr vermisst.
Weswegen ihre Record-Release-Party am morgigen Freitag in Berlin auch was Besonderes wird: Statt eines handelsüblichen Auftritts lassen sie in einem riesigen, alten Tanzsalon in Mitte lieber viele befreundete Bands wie Stereo Total, Mina oder die Pop Tarts ihre Lieder spielen. Das mag dann die Wiedergeburt der Galerie berlintokyo für eine Nacht bedeuten, inklusive des gesammelten Einfindens der dementsprechenden Szene. Doch Galerie hin, Berliner Indieszene her, worauf das Jeans Team trotz seiner Wurzeln Wert legt, ist Offenheit in alle Richtungen. „Ich kann jüngeren Menschen“, sagt Franz und meint das ganz ernst, „die in Mitte, bei unserer Record-Release-Party oder sonstwo eine so genannte Szene suchen, nur raten: Geht lieber nach Hause und macht euch ein Spiegelei. In Wedding wird auch gute Musik gemacht.“
Jeans Team: „Ding Dong“ (Kitty Yo/ Efa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen