piwik no script img

Die gestreiften Rebellen sind schon müde

So wird die Saison, die wird (Teil 8: Borussia Dortmund): Das Neue entpuppt sich bei Draufsicht nur als das Alte

DORTMUND taz ■ Alles, könnte man meinen, ist neu bei der Borussia. Im letzten Jahr sponsorte ein Bekleidungshersteller den Klub, nun ist es ein Stromerzeuger. Neu ist auch der Ausrüster. Die amerikanischen Schuhe, mit denen ein Mitteleuropäer das Tor natürlich niemals treffen konnte, sind nicht länger Pflicht. Statt dessen favorisiert der BVB nun wieder Herzogenauracher Schusterware.

Dann wären da die Trikots: Sie werden seit Mai in Klubregie hergestellt und vertrieben. Zu diesem Zweck hat die Borussia eine eigene Sportartikelmarke gegründet, die den sperrigen Namen „goool.de“ trägt.

Selbst das Design der Trikots ist neu: In Längsstreifen versucht der BVB einen Platz im Europapokal zu erreichen. Was aussieht, als entstamme es einer längst vergangenen Zeit, ist in Wirklichkeit höchst innovativ: Zwar experimentierte der Verein schon in grauer Vorzeit, nämlich 1963 und 1973, mit Streifen herum, aber das waren nur halbherzige Versuche, die keinesfalls dem heutigen Design ähnelten. Der Verein selbst behauptet allerdings, dass die Borussia schon einmal gestreift gespielt habe – 1938.

Neu ist vor allem aber auch der Trainer. „Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich bereit war, BVB-Cheftrainer zu werden“, sagt Matthias Sammer lächelnd zu den Journalisten, was nichts anderes bedeutet, als dass er nach langem Zögern und vielen Hinweisen darauf, sich für eine solche Aufgabe noch nicht reif zu fühlen, schließlich vom Vorstand dazu überredet wurde.

Was die Borussia dazu gebracht hat, mehr an Sammers Befähigung zu glauben, als der Betroffene selbst, lässt sich nur aus den traumatischen Erfahrungen der letzten Saison erklären: Zu Beginn war Gift an den Trikots der Spieler, später die Seuche an ihren Füßen; danach wandten sich die Fans erst gegen den Torwart, dann gegen einen Mittelfeldspieler, schließlich gegen den Trainer und am Ende gegen das ganze Team.

Mit anderen Worten: Der Klub benötigte eine Symbolfigur als Übungsleiter. „Sammer wird von innen und außen akzeptiert“, sagt Sportmanager Michael Zorc. Präsident Gerd Niebaum glaubt, der neue Trainer „verfügt über eine natürliche Autorität“. Das scheint das Entscheidende zu sein, nicht Sammers Ruf als Querdenker und Erneuerer, nicht sein Image als Verfechter des progressiven Fußballs. Davon ist schon lange nicht mehr die Rede. „Wir Deutschen sind mit unserer Spielweise grundsätzlich nicht weitergekommen“, nörgelte Sammer während der EM-Qualifikation am taktischen System des DFB-Teams herum. Auch deshalb hofften viele Dortmunder Fans auf eine Rebellion von innen heraus.

Geblieben ist der Satz „Der Name Sammer steht nicht für Revolution“ und die Erkenntnis, dass sich auf dem Platz nicht viel ändern soll. Stefan Reuter ist Sammers Libero, Lars Ricken sein Spielmacher hinter den beiden Spitzen. Damit wären wir beim Problem. Wirklich Neues gibt es im Westen nicht. Alle Korrekturen sind Kosmetik. In den neuen Schuhen stecken alte Füße. Zwar hat die Borussia in Sunday Oliseh einen vielversprechenden Mann verpflichtet, doch wer soll ihn anspielen?

Hinter Oliseh verrichten weiter Kohler, Wörns und Reuter ihren Dienst im Abwehrblock. Im Sturm hat die Borussia auch nur die Spieler vorzuweisen, die schon in der letzten Saison ins Nichts dribbelten (Reina), den Ball verspringen ließen (Herrlich) oder immer einen Schritt zu spät kamen (Bobic). Diese Schwächen waren dem Verein durchaus bewusst. So bemühte er sich lange um den norwegischen Angreifer Rod Carew und den deutsch-türkischen Verteidiger Mustafa Dogan.

Kein Transfer klappte. Mal fehlte das Geld, mal wirkten die rufschädigenden Kapriolen der letzten Saison nach. Und damit schließt sich der Kreis: Was der BVB zunächst braucht, ist ein besseres Image und ein „neues Wirgefühl“, wie Manager Michael Maier betont.

Es wird nicht so gut werden, dass McDonalds Recht behält („Das ißt der Deutsche Meister 2001! – BVB-Menü für DM 9,99“), aber es sollte auch nicht so schlecht ausgehen, dass dieser Ruf durchs Westfalenstadion hallt – „Udo Lattek, Fußball-Gott!“ ULI HESSE-LICHTENBERGER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen