DIE DEUTSCHE BAHN STREICHT ALLE INTERREGIOS: Die Schrumpfbahn
Schrumpfbahn: Das war 40 Jahre das Synonym für den Rückzug der Bahn aus der Fläche. Nahm die Zahl der Kunden auf Nebenstrecken ab, verringerten die Bahn-Beamten entsprechend die Zahl der Züge – bis das geringe Angebot schließlich auch noch den letzten Reisenden ins Auto vertrieb. Dieses Projekt war insofern erfolgreich, als dass die meisten Nebenstrecken in Westdeutschland zu schön ausgebauten Fahrradwegen umfunktioniert worden sind. Die Bahn kommt – nicht mehr.
Ob diese Entwicklung allerdings der Bahn langfristig geholfen hat, darf bezweifelt werden. Reisende haben in aller Regel die unangenehme Eigenschaft, nicht vom Frankfurter Hauptbahnhof nach München-Zentrum fahren zu wollen, sondern von Steinbach im Taunus nach Riedenburg in Oberbayern. Weil die Kunden aber die letzten 30 Kilometer ungern radeln möchten, fahren sie lieber gleich auf der Autobahn. Die Bahn spart sich so die Verluste, aber auch die Kunden.
Die geplante Streichung sämtlicher Interregio-Verbindungen in Deutschland setzt diesen fatalen Kurs fort – nur dass jetzt keine Nebenstrecken mehr stillgelegt werden, sondern ganze Regionen vom Fernverkehr abgekoppelt werden sollen. Wer bisher beispielsweise aus der Oberpfalz nach München reisen wollte, nahm den schnellen Interregio-Zug. Zukünftig soll König Bahnkunde mit Bummelzügen vorlieb nehmen. Wenn er es denn tut. Wahrscheinlicher ist, dass er ins Auto steigt.
Der bisherige Bahnfahrer wird durch den Wegfall der Interregios nicht nur der Bahn Defizite sparen helfen, sondern auch neue produzieren. Die rasenden ICE-Züge werden völlig unattraktiv, wenn es drei Stunden braucht, bis eine Station erreicht wird, wo dieses Wunderwerk der Technik auch fährt. Eine Bahnreise richtet sich schließlich nicht danach, ob der Zug bisweilen mit Tempo 250 fährt, sondern nach der gesamten Reisedauer. Die, so viel ist sicher, wird sich in vielen Regionen verlängern.
Die rot-grüne Bundesregierung ist damit angetreten, die Bahn zu stärken. Offenbar ein Missverständnis: Sie meinten wohl die Auto-Bahn. KLAUS HILLENBRAND
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen