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Das Ende der Illusionen

Basketball statt Literatur und pädagogischer Eros statt Homosexualität: Gus Van Sants „Forrester – Gefunden!“ (Wettbewerb) ist eine neue Variante des Märchens vom hochbegabten jungen Mann

Gus Van Sant würde seinen guten Namen zwar nicht unter alles setzen, aber allzu wählerisch ist er auch wieder nicht. Das wäre nicht schlimm, hätten seine frühen Filme nicht Versprechen gegeben, die nicht nur seine letzten nicht mehr hielten. Sicher kann es für einen Filmemacher eintönig oder existenzbedrohend werden, sich auf „schwule“ Themen oder queere Seitenblicke festzulegen. Aber musste es dann gleich ein Drehbuch von Ben Affleck und Matt Damon sein, die sich mit „Good Will Hunting“ ein gar nicht so zwingendes Genie-Drama auf den Leib schrieben?

In „Forrester – Gefunden!“ scheint Gus Van Sant nun wieder mehr Straße zu wagen. Kaum aber kommt das Basketballspiel in Fahrt, das Jamal mit Busta Rhymes spielt, schon bedrängt der Blick eines Fernglases die jugendliche Szene, hinter Gardinen verborgen, und lädt sie schräg auf. Nach weiteren Twists hat sich ein bekanntes Schema herausgeschält: „Forrester – Gefunden!“ ist eine neue Variation des Märchens vom hochbegabten jungen Mann.

Jamal ist nicht nur ein geschickter Basketballspieler, sondern hat vor allem literarische Ambitionen. Kaum hat ein Test den unauffälligen Jungen als Sonderbegabung erfasst, da fallen auch schon die Headhunter einer Eliteschule über ihn her. In der neuen Umgebung fühlt man sich allerdings weniger der Integration der Rassen und Klassen verpflichtet, sondern hofft, von Jamals Basketballtalent zu profitieren.

Inzwischen wurde auch die Person aus dem vierten Stock in ihrem Gardinenreich aufgestöbert, trägt sie doch den titelgebenden Namen. Forrester ist ein Schriftsteller, der sehr zurückgezogen lebt. Langsam tasten sich Jung und Alt aneinander heran, und eine Überkreuzbewegung im Banne des pädagogischen Eros setzt ein. Also legt sich über diese Bewegung eine zweite; obwohl nicht thematisiert, wird auf Homosexualität doch ständig angespielt. Man könnte auch sagen: Sie wird bis zur Kenntlichkeit kaschiert.

Das Drehbuch führt Sean Connery als Voyeur ein und lässt ihn als Vogelfreund landen. („Ich sehe da ein gut entwickeltes männliches Exemplar den Park verlassen.“) Jamal, der durch Forresters Fotos stöbert, entdeckt dabei ein nicht weniger gut entwickeltes männliches Exemplar an seiner Seite. Das war der Bruder, nun ist er leider tot. Auch Jamal hat diesbezüglich ein Paket zu tragen. Obwohl der Buchkultur hier die Rolle der großen Kultiviererin zukommt, gilt sie in Jamals sozialem Umfeld eher als ein „pansy“ Hobby, weshalb er es auch wie einen Makel versteckt und sich lieber mit Basketball profiliert. Basketball und Literatur bilden einen großen Kontrast, der zwar nur bedingt konflikthaft ist, dem aber eine restlose Auflösung eingeschrieben ist – der Einsiedler verlässt sein Haus, Jamal hat eine Wahl getroffen und wird vor seiner Klasse als Genie geoutet.

Was sich nicht auflöst, sind allerdings Fragen nach Gus Van Sants Selbstverständnis. Selbst wenn man den Autorenbegriff nicht hoch hängt, so ist sein Interesse an diesem Stoff doch alles andere als transparent. Schon offensichtlicher ist da sein Spaß am Erzählen mehrheitsfähiger Geschichten. Allerdings hat sich trotz größter Anpassungsbereitschaft ein Rest von Eigensinn erhalten. Der zeigt sich vor allem im so genannten spezifischen Blick auf die männlichen Darsteller. Darin ist noch der Jugend- und Jungs-Fetischismus à la Larry Clark zu erkennen.

Am ehesten verzaubert das Drama des Erwachsenwerdens ja die, die gute Gründe haben, verlorene Paradiese zu betrauern. Im Zeichen des Mangels werden dann natürlich trotzdem die für das Filmgeschäft zentralen Zielgruppen mit sentimentalen Modellen ihrer eigenen Situation versorgt. Der Popmythos vom schwierigen Erwachsenwerden erhält so eine ziemlich konservative Schlagseite von eher unerwarteter Stelle. Nicht erst mit diesem Film hat Gus Van Sant für seine eigene Biografie das erreicht, was Josef Fischer von außen nachgetragen wurde – seine neueren Filme ziehen unweigerlich eine Neubewertung der älteren nach sich. So wie man im Sponti jetzt nur noch den Außenminister inkubieren sieht, scheint im queeren Blickpiloten von einst immer schon der Manipulator der Tränen auf seinen Ausbruch gewartet zu haben. Oder anders gesagt: Dieses Ende der Illusionen wäre der Stoff für einen ziemlich erwachsenen Film. MANFRED HERMES

„Forrester – Gefunden!“. Regie: Gus Van Sant. Mit Sean Connery und F. Murray Abraham. GB, 136 Minuten

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