: Nicht ruhig und nicht wild
■ Der Sound der Artischocke: Sue Garner & Rick Brown
Musiker Ehepaare haben ein gutes Synergie-Potenzial. Ein neues Beispiel dafür (nach Yo La Tengo, Royal Trux, Dead Moon, etc.) sind Sue Garner und ihr Gatte Rick Brown. Beide machen in unterschiedlichen Konstellationen bereits seit 15 Jahren gemeinsam Musik. Doch erst jetzt erschien das ers-te Album der beiden unter eigenem Namen. Still heißt es und ist doch gar nicht so ruhig, wie der Titel vermuten lassen würde.
Aber wild ist es auch nicht, dafür sind Garner und Brown auch schon zu alt. Das Außergewöhnliche der Platte liegt vielmehr in ihrer musikalischen Vision. Und die einzufangen ist keine leichte Aufgabe. Aufgenommen im Heimstudio, pickt sich die Platte Elemente aus der musikalischen Biografie der beiden heraus und setzt sie mit einem gerüttelt Maß elektronischer Studiospielereien zu einem neuen Bild zusammen. Man findet die eindringlichen Melodien, die Fish & Roses zu einer soliden Indie-Gitarren-Pop-Band gemacht haben, aber auch die scheuklappenlosen Ausflüge ins Land der Improvisation, die Run On zu so einem spannenden Projekt machten.
Hypnotische Drum- und Synthesizerloops geben vielen Stücken außerdem einen krautrockigen Beigeschmack der an Can oder Neu! und gerne auch an deren neuzeitlichen Anhänger (Stereolab) erinnert, während Saxophone- und Klarinetteneinwürfe die unwirklich schönen Robert-Wyatt-Momente anklingen lässt. So kann man weiter durch die Musikgeschichte streifen, kann Platten wie Pet Sounds oder Trout Mask Replika in den Ring werfen und wird Still doch nicht einkreisen können.
Dafür ist es wohl auch noch zu früh, denn diese Platte ist wie eine Artischocke: möchte man an ihr Herz, so muß man sich durch etliche Schichten wühlen. Das braucht Zeit und belohnt die Mühen mit sukzessive zarter werdenden Genüssen. Dabei ist auch schon der erste Hördurchgang von Still ein gleichermaßen angenehmer wie herausfordernder: Wenn Sue Garners geheimnisvolle Stimme schräg quäkig und dunkel kratzig durch die Lieder segelt und sich darunter das dicht verwobene Unterholz der Musik zeigt, dann ist das auch ohne das vollständige Verstehen der Musik ein spektakuläres Erlebnis. Gregor Kessler
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