wonderful copenhagen: Grand Prix de Babylon
Es ist wieder so weit: Am Samstag singt Europa um die Wette. Wir machen mit: täglich eine Spalte Vorfreude.
Der Eurovisionsfan, dieses Jahr vor allem rudelweise aus Spanien angereist, ist enttäuscht. Zum Grand Prix in Jerusalem 1999 war erstmals die Sprachregel außer Kraft gesetzt worden: Seitdem galt, dass nicht mehr in der Landessprache gesungen werden muss. Vor allem kleinere Länder wie Estland, Lettland oder Norwegen machten sich für diese Liberalisierung stark. Doch kamen die Deutschen vor zwei Jahren noch mit einem turkodeutschen Gemisch (die Gruppe „Sürpriz“ schaffte damit immerhin den dritten Platz), so tendiert nun alles zum Englischen. Selbst die für Frankreich singende Frankokanadierin Natasha St-Pier wird sich womöglich am Sonnabend im Kopenhagener Parkstadion des Englischen bedienen, um nicht allzu exotisch zu klingen. Nur noch Deutschland, Spanien, Portugal und Israel werden ihren Gesang in ihren Heimatsprache vortragen – wobei einschränkend gesagt werden muss, dass selbst deren Interpreten – wie Michelle – mindestens eine Strophe auf Englisch bringen wollen. Das wiederum bringt die britischen (und irischen) Fans zum Naserümpfen. Sie mokieren sich ueber „Lyrics“, in denen inkorrekte Aussprache plötzlich aus dem Wort „eyes“ ein deutliches „ass“ macht, so wie im slowenischen Song vor zwei Jahren. Wobei das eine hübsche Europäisierung bedeutet, denn die Eurovision macht aus dem Englischen durch locker mulschige Aussprachen ein Inglisch, besser: Juro-Inglisch. Der türkische Sänger Sedat Yüce beispielsweise singt in einem Englisch, das ihm auf der Pressekonferenz den Zuruf eintrug: „Wir verstehen dein Englisch nicht. Sing Türkisch.“
Nur die irische Eurovisionschefin Niamh White lächelt bei derlei philologischen Streitereien zufrieden. Seit der Regelerosion ist ihr Land nie mehr in die Nähe eines Sieges gekommen – denn Englisch singen kann (na ja) nun jeder. Das bedeutet: Die Chance, dass Dublin sich noch einmal durch die hohen Kosten beim Ausrichten des Song Contests ruinieren muss, sind gering. White kühl: „Wir sind gerne dabei. Aber der Kelch soll nicht so schnell wieder bei uns stehen bleiben.“ JAN FEDDERSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen