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Der letzte Auftritt des Tim McVeigh

Mit einer gewaltigen Inszenierung unter staatlicher Mithilfe verabschiedet sich der Oklahoma-Bomber Timothy McVeigh. Der Staat hat den Mann umgebracht, der seinerseits 168 Menschen getötet hatte. Präsident Bush: „Die Sache ist erledigt“

von BERND PICKERT

Timothy James McVeigh ist tot. Der Mann, der am 19. April 1995 den größten Terroranschlag in der Geschichte der Vereinigten Staaten verübt hatte, wurde gestern früh um 7 Uhr mit einer Giftinjektion hingerichtet und um 7.14 für tot erklärt. Rund 35 Personen hatten der Hinrichtung als Augenzeugen beigewohnt, weitere 232 Angehörige von Opfern des Bombenanschlags auf das Alfred-P.-Murrah-Gebäude in Oklamoha City verfolgten die Hinrichtung über einen gesicherten Videokanal. Präsident Bush erklärte nach der Hinrichtung: „McVeigh hat das Schicksal ereilt, das er 1995 für sich gewählt hat. Nach den Gesetzen unseres Landes ist die Sache damit erledigt.“

McVeigh war seit 1963 der erste Gefangene, der aufgrund des Urteils eines Bundesgerichtes hingerichtet wurde. Die 716 anderen Hinrichtungen seit Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA 1976 gehen auf Urteile von Gerichten der einzelnen Bundesstaaten zurück. Vor einem Bundesgericht angeklagt wurde McVeigh, weil das von ihm gesprengte Gebäude eine Bundeseinrichtung war.

McVeigh hatte seinen Anschlag als „militärische Aktion“ gegen die Bundesregierung der USA verstanden. Der Sturm der Bundespolizei auf das Anwesen der Davidianersekte in Waco 1993 sei für ihn das Schlüsselerlebnis gewesen, das ihn zur Überzeugung gebracht habe, gegen diese Bundesregierung kämpfen zu müssen. Dass dabei 168 unbewaffnete Menschen starben, sah er stets als unvermeidbar an. In Essays aus dem Gefängnis argumentierte er, wenn im Irak in einem Regierungsgebäude Zivilisten untergebracht seien, würde das von den Medien als „menschliches Schutzschild“ eines verbrecherischen Regimes gegeißelt – nicht so in Oklahoma. McVeighs Gedankenwelt war geschlossen – seine eigene Hinrichtung notwendiger Teil des Ganzen. Er selbst bezeichnete die Exekution als „staatliche Beihilfe zum Selbstmord“.

Dementsprechend unspektakulär verlief die Hinrichtung. McVeigh sprach keine letzten Worte, verteilte lediglich die Abschrift eines Gedichtes von William Ernest Henley von 1870, in dem es heißt: „Mein Kopf ist blutig, doch ungebeugt ... Ich bin der Herr meines Schicksals, ich bin der Kapitän meiner Seele.“

McVeighs Leiche soll eingeäschert und nach seinem Wunsch an unbekanntem Ort vergraben werden. Er habe zunächst überlegt, die Asche auf dem Gelände des Murrah-Gebäudes in Oklahoma City verstreuen zu lassen – doch sei ihm das dann zu kalt, zu hartherzig vorgekommen. „Dieses Gefühl war nicht in mir.“

Eine gewaltige Ansammlung von Journalisten begleitete die Hinrichtung McVeighs, doch nur zehn Medienvertreter durften der Hinrichtung selbst beiwohnen, Aufnahmen waren verboten. Ausgewählte Vertreter der Angehörigen mussten ausgiebig erklären, wie sie die Videoübertragung erlebt hatten. Und da schwang mitunter doch auch ein bisschen Enttäuschung mit: „Wir haben gesehen, wie Timothy McVeigh einschläft. Das ist alles“, sagte ein Zeuge.

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