juttas neue welt
: Männer zum Knacken

Selbst bei Netzkolumnistinnen gibt es Lebensabschnitte, in denen die Onlinezeit kleiner/gleich null ist. Zum Beispiel, wenn sie in Sommerurlaub fahren, und die einzige erbrachte Leistung besteht darin, den Wettbewerb im Am-längsten-Ausschlafen zu gewinnen. Den Kampf um die Auszeichnungen „Wer ist schon brauner? Und wer blonder?“ verlieren sie hingegen bis zum Ende der Ferien, weil sie im Schatten besser weiterschlafen können. Und nur beim Anblick der Surfer auf dem Meer bekommen sie ein klitzekleines schlechtes Gewissen, weil sie wissen, dass kurz nach der Heimkehr eine Kolumne fällig ist.

Auch mir ging es nicht anders. Allerdings nur so lange, bis sich meine Lust am Recht auf Faulheit in Langeweile formatierte. Was immerhin bis zum vorletzten Urlaubstag dauerte. Daraufhin vertrieben wir uns die Zeit mit dem Aufsagen der beknacktesten – weil wir ja in Frankreich waren – französischen Wörter. Hier die Highlights (bitte laut lesen): Besançon, ascenseur und embouteillage. Meine Lieblingsvokabel allerdings wurde Croque Monsieur. Wobei ich mich nicht entscheiden konnte, ob der Käse-Schinken-Toast ursprünglich ein Mann zum Knabbern oder ein knabbernder Mann war. Da ich aber endlich ausgeschlafen hatte, beschloss ich, das Problem in einem Internetcafé zu lösen.

Das Schild war nicht zu übersehen, und zwar wegen seiner optisch-orthografischen Originalität: „Pl@net Multimedi@ Cyber C@fé“. Der Betreiber war wohl nicht mehr zu r@tten und ist wahrscheinlich todunglücklich, dass sich in „Cyber“ beim besten Willen kein Klammeraffe mehr unterbringen ließ. Sofort wollte ich das Geheimnis des Croque Monsieur lösen und tippte ihn in eine Übersetzungsmaschine. „Nichts leichter als das“, schien sie zu denken und spuckte mir ein Ergebnis aus, das meinem muttersprachlichen aktiven Wortschatz eine neue Vokabel hinzufügte: Croque Monsieur heißt auf deutsch „croque sehr geehrter Herr“. Ist das die höfliche Aufforderung zum Knabbern? Zufrieden war ich mit diesem Lösungsvorschlag nicht und gab den als Toast getarnten rätselhaften geehrten Herrn in die Suchmaschine ein. Aber da hagelte es nur Kulinarisches – und nix Etymologisches.

Ich merkte, dass ich nach so viel Schlaf nicht in der Lage war, Licht ins Dunkel zu bringen. Also nutzte ich die Gelegenheit, mich ein bisschen auf den französischen Seiten des WWW umzuschauen. Wenn ich schon mal im Land bin! Unter www.ecrannoir.fr zum Beispiel frischte ich mein Halbwissen über französische Filme und meine Erinnerungen an „La Boum“ auf. Im Zuge der aufkommenden Sentimentalität überfiel mich daraufhin das Bedürfnis, ein Gedicht zu lesen. Und zwar ein französisches. Eins von Baudelaire. Ich fand ein ganze Menge von ihm unter poesie.webnet.fr und las mich ein. Allerdings nicht lange. Denn als ich auf die Worte „Dormir nonchalamment . . . l'ombre“ stieß, wusste ich, was meine eigentliche Urlaubsaufgabe war: nämlich unbekümmert im Schatten zu schlafen. Ich gehorchte Baudelaire und ging zurück an den Strand. Dort träumte ich des Rätsels Lösung: Der Croque Monsieur ist in Wahrheit der französische Pac Man, der sich den Bauch mit Baguette und Croissants voll haut. Na also, ist doch ganz einfach. Wieso allerdings sein deutsches Pendant „strammer Max“ heißt, werde ich im nächsten Urlaub herausfinden. JUTTA HEESS

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