: Bruder Louie geil auf Siegfried
Riesensensation in Bayreuth! Dieter Bohlen wird Festspielleiter auf dem Grünen Hügel
„Tollhaus Bayreuth“ betitelte der Spiegel sein letztes Heft und bekaute darin einmal mehr den bereits über Jahre schwelenden Führungsstreit und Glaubenskrieg, den sich die Mitglieder des Wagner-Clans um die Zukunft des Festspielhauses liefern. Dumm gelaufen! Was nämlich der Spiegel nicht wusste, obwohl es bereits vor Drucklegung des „Bayreuth“-Titels feststand: Die Kontrahenten haben sich längst geeinigt, wie gestern der Stiftungsrat des Festspielhauses offiziell bestätigte. Neuer Leiter der Wagnerfestspiele von Bayreuth wird der weltbekannte Pop-Musiker und Falsettsänger Dieter Bohlen („Brother Louie, Louie, Louie“).
In einer ersten Stellungnahme bezeichnete Bohlen seine Ernennung als „ein geiles Angebot“, das er gern wahrnehme. „Hauptsache, die Kohle stimmt“, das sei schon immer seine sehr erfolgreiche Devise gewesen. Außerdem habe er derzeit „eh nichts Besseres vor“, so dass er der Wagner-Familie, die eigens und vollzählig in Bohlens Wohnort Sittensen, nahe Buchholz i. d. Nordheide, gereist war, sofort zusagte, sowohl die Geschäftsführung als auch die künstlerische Leitung des Festspielhauses zu übernehmen. Bohlen erhält einen Vertrag auf Lebenszeit.
Mit Dieter Bohlen, freute sich der bayerische Kunstminister Zehetmair, habe man einen in allen Belangen fähigen Nachfolger für den greisen Opern-Prinzipal Wolfgang Wagner (81) gefunden, der nun „endlich den rheingoldenen Löffel abgeben“ könne. Es sei davon überzeugt, dass mit Bohlen die Musik Wolfgang Wagners binnen kürzester Zeit die internationalen Hitparaden stürmen werde. Auch Staatskulturminister Julian Nida-Rümelin zeigte sich von der Entscheidung „für den symphatischen Arier“ beindruckt. Schließlich habe Bohlen schon oft genug bewiesen, „dass man auch aus Scheiße Gold machen kann“. Bayreuths Zuschauerkönig und Vulgär-Bariton Roberto Blanco ließ durchblicken, er rechne unter Bohlen mit einer Festanstellung als Sänger in Bayreuth. Er würde gern mal den Siegfried geben, wäre aber auch mit der Rolle des Roy zufrieden.
Bohlen, der angekündigt hat, seinen Einstand auf dem Grünen Hügel „mit einer geilen Schaumparty im Orchestergraben“ feiern zu wollen, hat mittlerweile erste Einblicke in sein künstlerisches Konzept gewährt. „Ich musste erst mal zu Schaulandt nach Harburg und mir ’ne Best-of-Wagner-CD kaufen“, gesteht er freimütig, dass „Wagner-Scheiben“ bisher in seiner Schallplatten-Sammlung fehlten. Viel Mist sei dabei, hat er nach einer ersten Höranalyse befunden. Es gebe aber auch ein paar „richtig geile Stellen“. Sogar ein, zwei Arien seien darunter, die sich für eine Singleauskopplung bestens eigneten. Allerdings: „Die Texte müssen englisch sein und die Gesangsstimmen alle mindestens eine Oktave höher gesetzt werden.“ Er kündigte an, Thomas Anders, seinen Sangesbruder aus dem gemeinsamen „Modern Talking“-Projekt, als Sopranistin nach Bayreuth zu berufen.
Mit ihm als Festspielleiter, so versicherte Bohlen, würde Bayreuth wieder zu einer „Top-Adresse“. Als Erstes werde er mal den „Ring“ ein wenig abspecken lassen: „Der muss auf jeden Fall kürzer. 16 Stunden, mein Güte. Da sitzt man sich doch bloß ’nen Wolf.“ Auch erscheine ihm die ganze Nibelungen-Story insgesamt „ein bisschen sehr irre“, da müsse noch einiges „auf normal gebügelt werden“. Ein Job, den er als Auftragsarbeit an Franz Josef Wagner zu vergeben beabsichtigt. Der Hausdichter und Sudelkolumnist des Springer-Verlags sei schon aufgrund seines Nachnamens und wahrscheinlicher Verwandtschaft zu Richard Wagner für diese Aufgabe prädestiniert.
Seine erste Amtshandlung als Festspielleiter nahm Bohlen gestern Nachmittag vor. Telefonisch beauftragte er die Bühnentischlerei in Bayreuth mit der Anfertigung einer extra großen Besetzungscouch „aus rotem Plüsch, mit Schmuselicht und allem Pipapo“. Auch „rundum verspiegelt“ solle sie sein und über „eine Standleitung zur nächsten Schampusfabrik“ verfügen. Hier will er dann künftig und ganz persönlich die Auswahl der Sängerinnen treffen. „Die Tussen bringe ich alle ganz groß raus“, versprach er. Voraussetzung sei natürlich, dass „die über zwei ordentliche Lungen“ verfügen, „Nibelungen sozusagen“, wie er schmunzelnd anmerkte. Sängerinnen, die nicht mindestens Körbchengröße Doppel-D hätten, bräuchten sich jedenfalls gar nicht erst bei ihm zu bewerben.
FRITZ TIETZ
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