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Nase auf beim Lederkauf

■ Ob Couchgarnitur, Rockerjacke oder Stilettos: Meist ist überall gesundheitsgefährdende Chemie drin/Was jeder beim Kauf beachten sollte

Kühe, Schweine, Ziegen – eben noch im Stall oder auf der Wiese und schon sind sie verarbeitet zu einer Couchgarnitur, einer coolen Lederjacke oder teuflisch teuren Stilettos. Täglich kommen wir mit Lederprodukten in Kontakt – dabei weiß kaum einer, dass damit auch Gefahren verbunden sein können.

Von der rohen Tierhaut zum fertigen Lederprodukt ist es ein weiter Weg. Reinigen, Konservieren, Entborsten, Gerben, Färben: Die Haut muss bis zu ihrer Verwendung eine Vielzahl von Verarbeitungsschritten über sich ergehen lassen. Je nach Hersteller werden dabei meistens Chemikalien eingesetzt: Bei der am häufigsten angewandten Gerbung, der Chromgerbung, werden bis zu 276 Chemikalien eingesetzt, bei der pflanzlichen Gerbung sind es immerhin noch bis zu 50 verschiedene Stoffe.

Dass Leder überhaupt mit Chemie in Berührung kommt, hat einfache Gründe: Tierfelle sind Naturstoffe, ohne Bearbeitung unterliegen sie raschem biologischem Abbau. Und auch für die verschiedenen Anforderungen an das Endprodukt – Farbe, Festigkeit, Haltbarkeit – setzen Kürschner und Gerber noch das eine oder das andere Mittelchen hinzu.

Los geht–s mit dem Transport. Das Gros der hierzulande verkauften Lederwaren kommt aus Asien oder Südamerika. Klima, Hygiene, lange Lagerzeiten und Transportwege erfordern zunächst eine Rohhautkonservierung, also den Schutz vor Schimmel. Schon hier kommen die ersten Chemiekeulen zum Einsatz: Lange Zeit wurde das äußerst problematische Pentachlorphenol (PCP) verwendet. Jetzt ist es verboten. Seitdem wird es deutlich seltener eingesetzt, ist aber heute trotzdem noch nachweisbar, behauptet das Bremer Umweltinstitut, das zum Lederkauf auch Beratungen anbietet. PCB wird heute meist ersetzt, oft durch nicht weniger problematische Stoffe: Arsen- und Quecksilberverbindungen oder Chlorphenole und Chlorkresole.

Die Liste der anderen für die Lederproduktion verwendeten Stoffe ist lang: Formaldehyd und Chrom als Gerbstoffe, außerdem Lösemittel und Weichmacher. Eine besonders problematische Bedeutung haben die als krebserregend erkannten sogenannten aromatischen Amine, die aus bestimmten Azofarbstoffen freigesetzt werden.

Vorsicht ist angesagt, da einige der während der Verarbeitungsprozesse eingesetzen Verbindungen – wie zum Beispiel das in seiner Oxidationsstufe 6 krebserregende Chrom (ChromVI) – von der Haut aufgenommen werden können.

Beschwerdebilder gibt es viele: allergische Reaktionen der Haut, Kopfschmerzen oder auch Verspannungen. Allerdings sind sie häufig so unspezifisch, dass sie meist nicht eindeutig bestimmten Chemikalien zuzuordnen sind.

Wer Lederartikel kauft, sollte deshalb zumindest folgende Tipps beherzigen: Vorsicht bei besonders billigen Waren. Sie sind nicht nur qualitativ meist schlechter, sondern auch häufig in Biliglohnländern unter gesundheitsgefährdenden, sozial- und umweltunverträglichen Standards hergestellt worden. Eine qualitativ hochwertige Ledergarnitur kann nicht zu Dumpingpreisen verkauft werden.

Das Bremer Umweltinstitut warnt deshalb zum Beispiel vor Billig-Waren aus Fernost, da diese häufig nicht den strengen deutschen Qualitätskontrollen unterliegen. Aber selbst mit einem deutschen Prüfsiegel ist der Käufer nicht auf der sicheren Seite, da auch die Deutschen nur stichprobenartig testen.

Lederkäufer sollten aufmerksam sein. In allen Branchen gibt es schwarze Schafe, selbst bei Öko- oder Spezialmarken besteht letztlich keine Sicherheit. Manchmal hilft es schon, den Verkäufer zu fragen, woher das Produkt kommt. Und, ob Schadstoffuntersuchungen vorliegen. Ein Prüfzertifikat kann viele Unsicherheiten beseitigen.

Auch die Nase sollte beim Ledershopping mitmischen: Vorsicht bei Ledern, die stark nach Farbe oder „Chemie“ riechen. Sonst könnten Möbel eines Tages die Raumluft belasten.

Noch ein Rat: Lederprodukte – auch Schuhe – sollten nicht direkt auf der Haut getragen werden.

Schließlich sollte über den Kauf von pflanzlich gegerbten Lederartikeln als Alternative nachgedacht werden. Im Fachgeschäft sollte die Färbemethode deklariert sein. Ein ungefährlicher Farbstoff wird zum Beispiel aus Rhabarber gewonnen.

Also: Leder ist kein Naturstoff, sondern entsteht durch jede Menge mechanische und chemische Behandlungsprozesse. Und wer ein bisschen aufpasst, kann sich eine Menge Ärger ersparen.

Wer mehr erfahren möchte, kann sich an die Bremer Umweltinstut GmbH wenden. Hier gibt's Beratungen und Broschüren. Wielandstr. 25, 28201 Bremen. Tel.: 0421/76665. ksc

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