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Das richtige Spiegelbild

Träger des diesjährigen Nobelpreises für Chemie gelang die Trennung von so genannten Spiegelbild-Molekülen. Die bereits vor über 30 Jahren entwickelten Verfahren werden heute vielfach in der Pharma- und Chemieindustrie eingesetzt

von CLAUDIA BORCARD-TUCH

Den Nobelpreis für Chemie erhalten in diesem Jahr die beiden US-Amerikaner William S. Knowles und Barry Sharpless sowie der Japaner Ryoji Noyori. Die Forscher werden für ihre Arbeiten zur molekularen spiegelsymmetrischen Katalyse geehrt, erklärte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm.

Viele Moleküle gibt es in zwei spiegelbildlichen Formen. Sie gleichen sich wie Bild und Spiegelbild oder wie rechte und linke Hand und werden als chiral bezeichnet. In menschlichen Zellen ist oft nur eine der beiden spiegelsymmetrischen Varianten von Nutzen, während die andere sogar schädlich sein kann.

Den drei Forschern gelang es die chemische Reaktion zur Herstellung von Molekülen auf besondere Weise zu steuern. Als Ergebnis wird nur eine von zwei möglichen spiegelbildlichen Varianten des Endprodukts gebildet. Damit ermöglichten die Wissenschaftler die Herstellung neuer Substanzen.

Der heute 84jährige Knowles, der bis zu seinem Ruhestand 1986 bei dem Biotech-Unternehmen Monsanto in St. Louis arbeitete, fand heraus, dass es möglich ist, so genannte Übergangsmetalle zur Herstellung von chiralen Katalysatoren für eine wichtige Reaktionsart – Hydrierung genannt – zu nutzen und so vorzugsweise die eine spiegelsymmetrische Form als Produkt zu erhalten. Die Entdeckung von Knowles führte rasch zu einem industriellen Produktionsverfahren, bei dem das Medikament L-Dopa hergestellt wird, das zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit eingesetzt wird.

Noyori, seit 1972 Professor für Chemie an der Nagoya Universität in Japan, hat die Entwicklung bis hin zu den heutigen allgemeinen chiralen Katalysatoren zur Hydrierung weitergeführt. Sharpless, Professor für Chemie am Scripps Research Institute in La Jolla, USA., entwickelte chirale Katalysatoren für einen anderen wichtigen Reaktionstyp – die Oxydationsreaktionen.

Die Forschungsergebnisse werden mittlerweile vielfach in der Industrie genutzt. Eine große Anzahl von Medikamenten, Antibiotika oder entzündungshemmenden Substanzen, sowie Aromastoffen und landwirtschaftlichen Chemikalien wird mit dieser Methode produziert. Da Arzneimittel oft aus chiralen Molekülen bestehen, ist es von besonderer Bedeutung, beide Formen getrennt herstellen zu können, weil der Unterschied zwischen ihnen sogar eine Frage von Leben und Tod werden kann.

Das populärste Beispiel für die unterschiedliche Wirkung spiegelbildlicher Moleküle ist der Wirkstoff Thalidomid, auch bekannt unter dem Namen Contergan. Die Substanz wurde in den 60er Jahren als Schmerzmittel eingesetzt. Mit ihr verbindet sich einer der größten Medizinskandale des 20. Jahrhunderts. Eine Form des Thalidomids wirkte wie erwartet, die andere jedoch führte zu schweren Fehlbildungen der ungeborenen Kinder. Bis das Medikament 1962 vom Markt genommen wurde, kamen weltweit 12.000 Kinder mit Fehlbildungen zur Welt.

Der mit rund zwei Millionen Mark dotierte Preis geht zur Hälfte gemeinsam an Knowles und Noyori, die zweite Hälfte erhält Sharpless. Bemerkenswert ist, dass Knowles seine Entdeckung bereits vor 33 Jahren machte.

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