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Mit flacher Hand ins Gesicht

Durch ein müheloses 4:1 entfernt Titelverteidiger Bayern München den Parvenü 1. FC Kaiserslautern von der Spitze der Tabelle und erklimmt diese standesgemäß selbst – erstmals in dieser Spielzeit

aus München DOMINIK SCHÜTTE

Seit ein paar Tagen haben die Bayern einen neuen Fan. Nicht etwa wegen des 4:1-Sieges gegen Kaiserslautern. Nein, diesen Fan haben sie ausgerechnet dem Stadtrivalen 1860 München zu verdanken. „Mein Sohn ist jetzt Bayern-Fan“, ließ Werner Lorant, geschasster Trainer der Löwen, trotzig verlauten. Und um Tobias Lorant gleich noch die Mitgliedschaft mitsamt Dauerkarte schmackhaft zu machen, spielte der FC Bayern München am Samstag gegen den 1. FC Kaiserslautern eine Halbzeit lang Fußball vom Feinsten.

Das Aufeinandertreffen der Teams begann jedoch mit Tritten unter die Gürtellinie. Giovane Elber hatte seine Sicht der Dinge längst offenbart: „Ich scheiß auf Mario.“ Basler hatte sich wieder mal in einem Schmierentheater die Hauptrolle auf den Leib geschneidert. Elbers Ehefrau habe oft verzweifelt bei seiner Gattin Iris angerufen. Und wenn es um den Lebenswandel ginge, „hätte Giovane mit mir zusammen vom FC Bayern gefeuert werden müssen“ – sprach’s und fummelte in seiner Tasche an etwas herum, was nach Marlboro aussah.

Elber wollte die Antwort auf dem Platz geben, doch dazu kam es nicht. Denn Basler musste von der Bank aus mit ansehen, wie seinen Lauterern, bis dahin Tabellenführer, mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen wurde. Nach einer halben Stunde stand es 3:0 für die Bayern, und obwohl er nicht spielte, war Mario allgegenwärtig. „Wir woll’n den Basler sehen“, hallte es – und zwar aus dem Münchner Fanblock, der vehement den ehemaligen Bayern-Spieler forderte. Der stand auf und winkte grinsend, was mit donnerndem Applaus belohnt wurde. „Den Jubel hab ich gar nicht gehört, in diesem Stadion bekommt man ja nichts mit.“

So wie die Lauterer vom Spiel. Torhüter Georg Koch brachte es auf den Punkt: „Wir haben uns in die Hosen geschissen.“ Für Basler spielte rechts Dimitrios Grammozis. Die linke Außenbahn besetzte Teamchef Andreas Brehme mit Jeff Strasser. Die Bayern überrannten die in dieser Aufstellung viel zu defensiven Lauterer mit vier Stürmern. Hasan Salihamidzic ließ in der 15. Minute den völlig überforderten Strasser stehen und passte zurück auf Roque Santa Cruz, der zum 1:0 einschob. Das zweite Tor machte „Brazzo“ selbst, sieben Minuten später, nach Vorarbeit von Elber. In der 29. Minute holte Grammozis Bayerns Paulo Sergio von den Beinen, was zum 3:0 per Elfmeter durch Salihamidzic führte. Nach einer halben Stunde war die Frage nach dem Spieler des Tages also geklärt, die Partie entschieden und die Gäste-Fans zündeten vorsichtshalber eine Rauchbombe und nebelten damit das Tor ihrer Mannschaft ein.

„Wir haben in einigen Momenten geschlafen“, erklärte Kapitän Thomas Hengen später. Manchmal dauern Momente 90 Minuten. „Der Elfmeter war entscheidend“, fand derweil Andreas Brehme. Sergio wurde zwar tatsächlich außerhalb des Strafraums gefoult, aber den Bayern wäre auch das egal gewesen. „Da hätte heute jede Mannschaft kommen können. Wir haben so viel Spaß. Es läuft“, sagte Salihamidzic und ließ sich feiern, während die Demütigung des 1. FCK nach dem Schlusspfiff weiterging. „Wir konnten uns in der zweiten Halbzeit für die nächsten Spiele ausruhen“, sagte etwa Brazzo. Oliver Kahn, der keinen Schuss aus dem Spiel heraus halten musste, schlug in dieselbe Kerbe: „Alles läuft, alles klappt, alles gut.“ Die Bayern sind wieder Tabellenführer, die Machtverhältnisse zurechtgerückt. Da war denn auch Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld zufrieden: „Bayern will immer die Nummer eins sein. Jetzt sind wir es wieder.“

Auch deshalb, weil die Lauterer trotz verstärktem Bemühen nur noch den Ehrentreffer zustande brachten. Nach einer Schwalbe von Miroslav Klose, verwandelte Harry Koch in der 82. Minute den Elfmeter und erzielte damit das erste Tor, das die Bayern diese Saison zu Hause kassierten. „Schade um die Serie“, sagte dazu Oliver Kahn, der derzeit sonst keine Sorgen hat, zumal in der 90. Minute auch noch Pizzaro jubeln durfte, der nach einem Pass von Salihamidzic das 4:1 markierte.

Zu alledem wollte Mario Basler nach dem Spiel gar nichts sagen. Eilig huschte er, immer noch grinsend, an den Journalisten vorbei in die Kabine. „Ich habe doch gar nicht gespielt“, bemerkte er nur, wenig später hielt er dann, wohl wissend um seine Hauptrolle, ausführlicher Hof. Seine persönliche Siegesserie sei nicht gerissen, gab er bekannt, außerdem habe Lautern viel zu defensiv gespielt, was keineswegs als Kritik am Teamchef zu verstehen sei („Ich kritisiere Andreas Brehme nicht, wer das schreibt, lügt“). Angesprochen, ob mit Giovane Elber alles geklärt sei, sagte er nur: „Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Ich kann die Wahrheit ertragen.“ Es kann auch Leidensfähigkeit sein, die Fußballer auszeichnet.

MÜNCHEN - KAISERSLAUTERN 4:1Bayern München: Kahn - Sagnol, Kuffour, Robert Kovac, Lizarazu (77. Tarnat) - Salihamidzic, Fink (77. Sforza), Hargreaves, Sergio - Santa Cruz, Elber (69. Pizarro)Kaiserslautern: Georg Koch - Hengen - Harry Koch, Knavs (46. Klos) - Grammozis, Ramzy, Ratinho, Lincoln (46. Pettersson), Strasser - Klose, LokvencCruz (16.), 2:0 Salihamidzic (23.), 3:0 Salihamidzic (29./Foulelfmeter), 3:1 Harry Koch (82./Foulelfmeter), 4:1 Pizarro (90.)

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