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Die Nacht, als der Castor stand

Die letzte Blockade sorgt bei Polizei und DemonstrantInnen für Verwirrung  ■ Magda Schneider

In der Abschlussmeldung zum Castor-Transport nach Gorleben klingt es wie ein Selbstgänger. In nur siebzig Minuten seien die sechs Atommüll-Behälter aus dem Verladebahnhof Dannenberg „sicher“ ins Zwischenlager gebracht worden. Doch der Atomstaat musste dafür wieder einmal bis gestern Morgen kräftig seine Muskeln spielen lassen. 15.000 BeamtInnen im Einsatz, 780 präventive Festnahmen. Die Castor-GegnerInnen trotzten ihnen dennoch erfolgreich. Und während diese vor allem an ihre physischen Grenzen gestoßen sind, wird der Castor-Einsatz bei der Staatsgewalt mehr Folgen für die Psyche und Moral hinterlassen. Schon zu Beginn des Transportes brachte es ein Einsatzleiter auf den Punkt. „Es geht darum, geltendes Recht durchzusetzen, nicht um Gerechtigkeit.“

Obwohl die Atombehälter aufgrund einer neuen Verlademethode am Dienstagabend um 19.30 Uhr transportfähig waren, scheute die Polizei den Weg ins Zwischenlager. In Laase hatten sich 300 CastorgegnerInnen auf die Straße gesetzt und versperrten den Weg. Dies führte zu Verwirrung bei der Polizei. Während einerseits Sondertrupps die von Polizeifahrzeugen ausgeleuchteten Felder nach mutmaßlichen Blockiergruppen absuchten und zur „Gefahrenabwehr“ festnahmen, konnte sich das Gros frei bewegen. „Warum haben wir die denn vorhin geräumt, wenn die jetzt wieder auf der Straße sind“, beschwerte sich ein Beamter. „Dieser ganze Einsatz wird noch ein Nachspiel haben.“

Aber auch bei den Festgenommen herrschte Unmut. Weniger über die Maßnahme selbst. „Wir wollten die Strecke blockieren, als das nicht ging, haben wir den Wald verlassen, um nach Hause zu gehen“, berichtete eine Aktvistin. „Dann haben sie uns festgenommnen und zur Castor-Strecke gebracht, wo wir uns dann setzten sollten.“ Nach Stunden des Wartens in der Kälte velangten sie endlich einen Platz im beheizten Gefangenentransporter. Doch Logistikprobleme sorgten für Zeitverzug.

Als diese Prozedur abgeschlossen war, wurde es um 3.34 Uhr ernst: Wasserwerfer fuhren vor und Sondereinheiten marschierten vor dem Deich auf. Das Ultimatum: Die Straße zu räumen, andernfalls würde von der Polizei mit „körperlicher Gewalt bis hin zum Schlagstockeinsatz“ geräumt. Nach vorherigen Räumungen mit Pferdestaffeln, Kampfhunden und vielen Verletzten mahnte X1000malquer-Sprecher Jochen Stay die Polizei zur Besonnenheit. Die BlockiererInnen riefen: „Keine Gewalt, keine Gewalt“. In der Tat bemühten sich die Beamten beim Wegtragen um Zurückhaltung.

Nach der Räumung kam die Erschöpfung. „Ich habe den Castor schon beim letzten Mal gesehen und heute schon sechs Stunden in einer Zelle verbracht,“ so eine Aktvistin. „Dann bin ich über die Felder zur Blockade gerobbt, um von der Polizei nicht gesehen zu werden – das reicht!“ Der Castor indes hatte freie Fahrt.

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