piwik no script img

Schluss mit lustig

Anmerkungen zum Rüdiger- Hoffmann-Verschnitt. Eine nicht repräsentative Umfrage vor der Columbiahalle

Mittwochmittag wurde in Kollegenkreisen die Frage diskutiert, wer oder was ein Rüdiger Hoffmann sei. Der Anlass war, glaube ich, dass einer von uns öffentlich als „Rüdiger-Hoffmann-Verschnitt“ tituliert worden war und nun gab es folgende Punkte zu klären: Erstens – was bedeutete das? Zweitens – war das wahr? Drittens – wie war das gemeint: Gut, schlecht, mittel oder gar nicht?

Man einigte sich dann darauf, dass Rüdiger Hoffmann irgendwas lustiges sei und sonst nichts zu bedeuten habe. Ich beteiligte mich nicht an der Debatte: Zum einen, da ich keine Ahnung hatte, was denn ein Rüdiger Hoffmann ist und zum zweiten, da ich nicht gerade als der Intelligenteste von uns gelte. Hat aber nichts damit zu tun, dass ich nebenher als Taxifahrer arbeite.

So auch am Mittwochabend: Ich kam an der Columbia-Halle vorbei und sah, dass da ausgerechnet in diesem Moment dieses Rüdiger Hoffmann drin war. Ich hörte kein Lachen, aber die Türen waren ja auch zu und bestimmt sehr dick. Ich beschloss, nach Ende der Veranstaltung ein paar Zuschauer unter dem Vorwand eines Dienstleistungsangebots abzufangen und bei dieser Gelegenheit unauffällig zu befragen. Ein Pärchen ging mir auf den Leim: Sie stiegen schweigend und übellaunig ein, der vormals wohl gesunde Teint war einer aschfahlen starren Maske gewichen und ich wagte nicht zu fragen, ob es „denn lustig gewesen“ sei. Wir fuhren los und ich blickte in den Innenspiegel: Beide kauten auf ihren Lippen, nachdenklich, verzweifelt, erschüttert. Nur ein einziges mal unterbrach der Mann die lastende Stille, als er mürrisch und kurz angebunden mehr befahl als fragte: „Ich darf rauchen . . .“ Den Rest der immerhin zwanzig Minuten währenden Fahrt sprachen sie kein Wort. Statt dessen stieß abwechselnd einer von beiden einen gequälten Seufzer aus, der aus dem tiefsten Abgrund einer unendlich gemarterten Seele zu kommen schien. Eigentlich fehlte nur noch, dass sie geweint hätten, aber das hatten sie vermutlich schon vorher getan und jetzt besaßen sie keine Tränen mehr. Die bedrückende Atmosphäre im Taxi machte, dass ich mich gründlich verfuhr, doch ihnen war offensichtlich alles egal. Am Fahrtziel angekommen, zahlte der Mann. „Danke“, sagte ich, „auf Wiedersehen“. „Ach ja“, seufzte er, „ach ja“. Die Frau wimmerte leise vor sich hin.

Als sie endlich ausgestiegen waren, hatten sie mich vermutlich bereits mit ihrer Schwermut angesteckt: Für den Rest der Nacht war ich selber traurig und auch noch den ganzen nächsten Tag über. Natürlich war spätestens jetzt klar, was ich im Grunde schon längst geahnt hatte – mit „lustig“ konnte das nicht das Geringste zu tun haben: Da mussten mir die Kollegen einen arg pyknischen Bären aufgebunden haben, unter dessen Last ich nun ächzte und schwitzte. Rüdiger Hoffmann war nämlich in Wahrheit ein außerordentlich aggressiver Schlechte-Laune-Bazillus, quasi ein Seelenmilzbranderreger. Das mit dem „Rüdiger-Hoffmann-Verschnitt“ kann so aber auf jeden Fall nicht stimmen.

ULI HANNEMANN

Rüdiger Hoffmann spricht heute abend nochmal in der Columbiahalle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen