AUCH OHNE KRIEG FORDERT DIE US-POLITIK IM IRAK ZU VIELE OPFER: Falsches Feindbild
Noch ist der Krieg in Afghanistan nicht zu Ende, da wird in den USA schon lautstark über den Irak als mögliches nächstes Ziel im „Krieg gegen den Terrorismus“ diskutiert. Das vermag genauso wenig überraschen wie die Bomben, die seit dem 7. Oktober auf Kandahar fallen. Im Unterschied zu Afghanistan wäre das Kriegsziel der USA immerhin von Beginn an eindeutig: Vernichtung des Regimes von Saddam Hussein, mithin also die Vollendung jenes kriegerischen Werkes, das Bush senior 1991 nach der Wiedereroberung Kuwaits gestoppt hatte.
Sicher ist, dass es für die Vorwürfe gegen den Irak, er bedrohe die Region mit Massenvernichtungswaffen, noch weniger Beweise gibt als bis zum 7. Oktober für eine Beteiligung Bin Ladens oder der Taliban-Regierung an den Terroranschlägen in den USA. Welche Allianz einen Krieg gegen den Irak heute mittragen sollte, ist völlig offen. So sind die öffentlichen Äußerungen aus dem Weißen Haus auch als Test für die Anti-Terror-Koalition zu werten – und als Stimmungsmache, um die Sanktionspolitik ungehindert fortzusetzen.
Die hat für die Zivilbevölkerung Iraks schlimmere Folgen als mancher Krieg: Nach Angaben der ehemaligen UN-Irakbeauftragten für humanitäre Fragen, Hans von Sponeck und Denis Halliday, waren bis zum vergangenen Jahr rund eine halbe Million Kinder an den Folgen der Sanktionen gestorben; jeden Monat sind es weitere fünf- bis sechstausend. Auch wenn tatsächlich vom Irak immer noch eine Bedrohung ausgehen sollte, müssten die USA und Großbritannien eingestehen, dass die Sanktionen außer Leid in der Zivilbevölkerung gar nichts gebracht haben.
Wahrscheinlicher ist aber, was Außenminister Colin Powell dem angehenden Präsidenten noch bei dessen Amtsantritt im Januar sagte: „Der Irak stellt für seine Nachbarn keine Bedrohung mehr dar.“ Das wollte Bush schon damals nicht hören. Heute, da Verteidigungsminister Rumsfeld und sein Vize Wolfowitz auf einen Irakkrieg drängen, scheint Powells Bemerkung ketzerisch. Wetten, dass in den nächsten Wochen immer mehr Berichte über irakische Verbindungen zu Bin Laden und Vermutungen über eine irakische Giftgasproduktion in den Medien auftauchen? BERND PICKERT
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