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„Krisen machen Stärken der taz deutlich“

Chefredakteurin Bascha Mika über die taz auf dem Weg von 2001 nach 2002: Das gute Jahr führt sie nur bedingt auf die besondere politische Situation zurück. Vielmehr seien die alten inhaltlichen Qualitäten und das neue redaktionelle Schwerpunktkonzept dadurch optimal zum Ausdruck gekommen

Frau Mika, der Aboverkauf steigt, der Einzelverkauf am Kiosk steigt. Was ist 2001 mit der taz los?

Bascha Mika: Sie wundern sich wohl, dass die taz Auflage macht? Wir haben doch immer wieder bewiesen, dass wir unsere Abonnentenzahlen in kurzer Zeit enorm steigern können. Das letzte Beispiel ist die Kampagne „taz muss sein“ im vergangenen Herbst. Da haben wir innerhalb weniger Monate 6.500 Abonnenten hinzugewonnen.

Und jetzt sind Sie Kriegsgewinnlerin?

Jein. Die politische Situation hat sich bei allen Medien positiv ausgewirkt. Wenn die Welt brennt, will jeder so viel Nachrichten, Analysen, Hintergründe wie möglich. Das Besondere der taz ist, dass sie in extremen politischen Situationen ihre publizistischen und journalistischen Stärken voll ausspielen kann. Und das honorieren die Leser und Leserinnen.

Sie arbeiten seit März 2000 mit redaktioneller Schwerpunktsetzung. Auf den ersten Seiten stehen ganzseitig die interessantesten Themen.

Die Blattreform ist das Ergebnis einer neuen publizistischen Philosophie, die sich deutlich von den elektronischen Medien absetzt und nicht versucht, in Konkurrenz zu ihnen zu treten. Was den traditionellen Aktualitätsbegriff angeht, da können Zeitungen nur verlieren. Uns geht es um Wissen, Erkenntnis und Orientierung für den Leser, nicht um die reine Information. Seit der Blattreform konzentrieren und komprimieren wir unser Angebot – deshalb die Schwerpunktseiten.

Der 11. September und seine Folgen haben das Schwerpunktkonzept begünstigt?

Es hat sich schon vorher bewährt. Aber in journalistischen Ausnahmesituationen werden die Vorteile – nach den Terroranschlägen so viel Wissenswertes und Streitbares zum Thema zu liefern wie irgendmöglich – besonders deutlich.

Frau Mika, war 2001 das Jahr der Repolitisierung – vor allem bei jüngeren Menschen?

Ich habe es immer für ein reines Vorurteil und ziemlichen Quatsch gehalten, dass junge Leute heute unpolitisch seien. Nur weil sie einen anderen Politikbegriff haben, als er in Folge der 68er üblich war, und weil sie wollen, dass man ihnen politische Themen anders präsentiert – unterhaltsamer, ironischer – sind sie nicht unpolitisch. Spätestens seit den WTO-Protesten in Seattle vor zwei Jahren, wo sich der Protest gegen eine entfesselte kapitalistische Weltwirtschaft artikulierte, haben das auch die Medien begriffen.

Und die taz entwickelt sich nun vom einstigen Sprachrohr der Grünen zum Sprachrohr der Globalisierungskritiker?

Das eine ist so unsinnig wie das andere. Die taz war nie Sprachrohr der Grünen. Der Eindruck der Nähe entsteht vielleicht, weil taz und Grüne ursprünglich demselben Milieu entsprungen sind und weil uns an vielen Punkten bis heute dieselben gesellschaftlichen Zukunftsfragen umtreiben. Aber die Grünen machen Politik, wir eine Zeitung. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Ich verstehe nicht, warum das so schwer zu begreifen ist.

Die FAS glaubt, die taz mache neuerdings eine „tägliche Satire-Zeitung“, um sich an die junge, unpolitische Leserschaft ranzuschmeißen.

Seit wann ist Satire unpolitisch? Haben Sie noch nie die „Wahrheit“ gelesen? Wenn man die Verhältnisse, die politische Realität, ironisch gebrochen beschreibt, kann das genauso aufklärerisch sein wie eine politische Analyse. Außerdem kann man sich an junge Leser nicht „ranschmeißen“, man kann sie nur gewinnen, indem man ihnen eine Zeitung bietet, die ihren Bedürfnissen entgegenkommt. Wenn wir es schaffen, junge Leute überhaupt zum Zeitunglesen zu verführen, haben wir schon viel erreicht.

Wo steht die taz zur Zeit?

Mit der Rettungskampagne im vergangenen Jahr mussten wir zunächst das schiere Überleben der Zeitung sichern – das haben wir geschafft. Mit Hilfe unserer Leser und Leserinnen, Genossen und Genossinnen. Nun müssen wir das Blatt inhaltlich weiterentwickeln und die Auflage konsolidieren.

Was heißt das?

Die taz braucht eine sichere ökonomische Basis, wir wollen nicht wieder innerhalb kürzester Zeit um Hilfe schreien. Dazu gehört eine steigende Aboauflage. Gleichzeitig müssen mehr Anzeigen ins Blatt, was für uns ein besonders harter Brocken ist.

Versprechen Sie uns, dass Sie nie mehr drohen?

Sag niemals nie bei der taz. Leider sind wir auch in diesem Bereich immer für Überraschungen gut. Wer wie wir kein dickes finanzielles Polster hat, ist immer gefährdet. Schon eine Erhöhung der Papierpreise kann für uns zum Risikofaktor werden. Deshalb: ganz vorsichtig mit Prognosen, ganz vorsichtig mit Sicherheitsversprechen, aber alles tun, um die taz auf eine vernünftige ökonomische Basis zu stellen.

Sie planen für April den nächsten taz-Kongress. Waren auf dem letzten nicht sowieso nur die alten und graubärtigen Wollsockenträger?

Da haben Sie wohl nicht richtig hingesehen. Die Kongressbesucher waren eine erstaunliche Mischung aller Altersgruppen, auffallend waren die vielen sehr Jungen darunter. Gerade dadurch hat sich ein interessanter Generationendiskurs entwickelt – wie wir ihn übrigens auch in der Redaktion haben.

Und was ist mit dem neuen Kongress?

Die taz hat sich schon immer als Forum für die wichtigen gesellschaftlichen Debatten verstanden – das passiert im Blatt, das soll auch wieder auf dem Kongress passieren. Letztens fragten wir: Wie wollen wir leben? Diesmal wird uns die Frage beschäftigen: Wessen Welt ist die Welt?

Neue Kolumnen, mehr Service – die taz ist lebensnaher geworden.

Das hoffe ich doch. Erstens sind wir selbst ein ziemlich lebendiger Haufen, zweitens wollen wir ja auch die Lebenswelten der Leser und Leserinnen widerspiegeln.

Die taz 2002 in drei Adjektiven, Frau Mika?

Wir sind eine linke, respektlose, intelligent unterhaltsame und unabhängige Tageszeitung.

Das sind ja schon vier.

Wenn’s denn eins mehr sein darf.

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