: Ein Feierabend-Joint? Warum nicht?
Jeder zweite Asiat hat wegen eines fehlenden Gens Schwierigkeiten beim Alkoholabbau. Die Koreanerin Mun-ju Kim findet, sie habe dennoch ein Recht auf Rausch; und zwar mit Cannabis. Notfalls will sie deswegen bis vors Verfassungsgericht ziehen
von HENNING KRAUDZUN
Mun-ju Kim tut es wie Millionen andere Menschen auch: Sie kifft gern. Und sie hat keine Lust mehr, daraus ein Geheimnis zu machen. Kim will ihre Joints endlich legal drehen können. Um sich diese Freiheit zu erstreiten, ist sie vor das Verwaltungsgericht gezogen.
„Mir geht es darum, endlich mal vielen Leuten den Kopf zu waschen“, sagt Kim. Die 32-jährige Koreanerin hat damit in der Legalize-Bewegung viel Staub aufgewirbelt und auch andere aus ihrem Trott herausgeholt. Sie ist eine Macherin. Eine Kämpfernatur, deren Botschaften nicht nach einiger Zeit verpuffen. Mit ihrem gepflegten Äußeren, ihrer Eleganz und dem verschmitzten Lächeln ist sie das Gegenteil des typischen Kiffers. Sie ist die Frontfrau einer Kampagne, die deutschlandweit als „Kimwillkiffen“ bekannt wurde und andere Zeiten einläuten soll.
Da sie nach einem harten Arbeitstag in einer Booking-Agentur auch entspannen will, greift sie in die Marihuanatüte statt zum Flaschenöffner. „So wie andere ihr Feierabendbier trinken, bleibe ich beim Kiffen.“ Alkohol schmecke ihr einfach nicht und sie vertrage ihn auch nicht. Das sei ein biologisches Phänomen, „denn Asiaten leiden unter dem so genannten genetischen Effekt“, erklärt Kim. Jedem Zweiten fehle von Geburt an ein Enzym, das den Alkohol im Körper schnell abbaut. Dieses Defizit sei auch eine Begründung in der Klageschrift gewesen, die sie beim Verwaltungsgericht einreichte. Zudem versucht Kim, unzeitgemäße Vorschriften mit dem Grundgesetz auszuhebeln: „Ich fühle mich in der Entfaltung meiner Persönlichkeit und dem damit verbundenen Recht auf Genuss eingeschränkt“, betont sie. Genuss bedeute nicht, sich permanent die Volldröhnung zu geben, sondern eben gepflegte Entspannung – egal wo man sich gerade aufhalte.
Nach wie vor steht THC (Tetrahydrocannabinol) jedoch auf dem Index des Betäubungsmittelgesetzes. Die meisten Bundesländer dulden zwar den Besitz kleinerer Mengen Cannabis für den Eigenbedarf, Anbau und Handel sind allerdings nach wie vor strafbar. Obwohl bereits quer durch die Gesellschaft, vom introvertierten Strickpulliträger bis zum gestressten Manager, viele Tüten geraucht werden, schieben die Politiker eine Gesetzesänderung vor sich her. Oder kriminalisieren gar das Kiffen. Ein Bundestagsabgeordneter der CDU habe ihr einmal entgegnet, dass es kein Recht auf Rausch gebe, erzählt Kim. „Außerdem nannte er uns Cannabis-Patienten“, sagt sie und lacht.
Kim nestelt an ihrem Softdrink herum. Nachdem sie gerade noch mit fordernden Gesten ihr Grundanliegen erklärt hat, spricht sie jetzt mit ruhiger Stimme. Fakten über die Bedeutung von Hanf sprudeln aus ihr heraus. Man spürt als Zuhörer, dass es ihr nicht um eine aufgeregte Selbstdarstellung geht, sondern um einen sachlichen Angriff gegen tradierte Vorbehalte gegenüber Marihuana. Sie redet über den Nutzen der Hanffasern, über positive Folgen des Kiffens für die Gesellschaft und über die heilende und schmerzlindernde Wirkung von THC. Und als sie über die Abgabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken zu sprechen beginnt, geht sie plötzlich in sich: „Wenn jemand in der Familie schon an Krebs gestorben ist, versteht man vielleicht mehr, wie Marihuana helfen kann.“ Daher könne sie es einfach nicht nachvollziehen, warum Cannabis auf dem Index steht. Deshalb wolle sie den einmal eingeschlagenen Weg ihrer Initiative bis zum Ziel zu gehen.
Dieser steinige Weg über zuständige Behörden und nunmehr gerichtliche Instanzen begann vor anderthalb Jahren. Zusammen mit dem Potsdamer Anwalt Matthias Schillo, der bereits 1994 erfolgreich die brandenburgischen Nutzhanfbauern verteidigte, will sie jetzt durchsetzen, dass das Cannabisverbot, das durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse überholt sei, aufgehoben wird. Zuerst wurde ihr Antrag, „THC-haltige Drogen zu besitzen und zu genießen“, von der Bundesopiumstelle in Bonn abgewiesen. Eine Ausnahmeerlaubnis werde nur zu medizinischen Zwecken erteilt, so die Behörde. Die Ablehnung war jedoch eine Voraussetzung, um vor dem Verwaltungsgericht klagen zu können. Dabei sehen Kim und ihr Anwalt durchaus Chancen, vor allem weil das Bundesverfassungsgericht vor sieben Jahren eine Überprüfung des Verbots durch die Gesetzgeber anordnete. „Die jetzige Regierung hat das ja schon im Wahlkampf angesprochen, passiert ist bis heute nichts“, ärgert sich Kim. „Es geht verdammt noch mal um eine Sinnlosigkeit in Deutschland: Kiffen wird geduldet, aber nicht erlaubt.“ Man solle endlich,wie in den Nachbarstaaten, den Prozess zu Ende denken.
Kims Wunsch nach unbehelligtem Kiffen ist zu einem starken Engagement für die Legalisierung geworden. Dabei wolle sie Canabis nicht schönreden und andere zum Kiffen animieren, sagt Kim. Aber sie will auch in Bayern ihre Joints rauchen können. Wenn nötig, ziehe sie dafür bis vor das Verfassungsgericht.
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