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nebensachen aus pekingFrau Li geht gestresst ins Jahr des Pferdes

Euroscheine in roten Umschlägen

Frau Li ist schon ganz blass. Am Dienstag beginnt das Jahr des Pferdes, und die letzten Tage vor dem Frühlingsfest sind schrecklich: „Einkaufen, putzen, nur Stress“, seufzt sie. Mit der Tochter, die unbedingt zum Onkel aufs Land fahren wollte, hat es auch schon Krach gegeben, weil Frau Li keine Lust hat, sich in den überfüllten Zug zu quetschen. Und mit ihrem müden Mann ist „ohnehin nichts anzufangen“, sagt sie grimmig. „Also meinetwegen kann das alles ausfallen.“

Keine Chance. Für Chinesen überall auf der Welt ist das Neujahrsfest mindestens so wichtig wie Weihnachten für die Europäer. Es ist die Zeit für Familientreffen und üppige Festessen, für rote Umschläge mit Geldgeschenken und für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. „Gong xi fa cai“ – „Glück und Reichtum!“ wünschen die rot (Farbe des Glücks) und golden (Farbe des Reichtums) bedruckten Karten, die Freunde, Kollegen und die PR-Abteilungen der Unternehmen verschickt haben.

Das Fest bringt auch die größte Völkerwanderung der Welt mit sich. Obwohl es traditionell nur drei Tage lang gefeiert wird, hat die Regierung eine ganze Urlaubswoche genehmigt – genug Zeit zum Reisen. Weit über hundert Millionen Menschen haben sich auf den Weg gemacht: Studenten und Wanderarbeiter, die einmal im Jahr aufs Land zurückkehren. Töchter und Söhne, die ihre Eltern besuchen. Rentner, junge Leute und Funktionäre, die sich eine Urlaubsreise zum heiligen Berg Taishan oder ins Kasino von Macao gönnen.

Tausende Sonderzüge und Extrabusse sind unterwegs. 1,7 Milliarden Tickets für öffentliche Verkehrsmittel werden in dieser Saison verkauft, schätzen die Behörden. In vielen Büros wird seit Tagen nicht mehr gearbeitet, weil jeder damit beschäftigt ist, Reisen oder Einladungen zu organisieren, Tische im Restaurant zu buchen und wichtigste Einkäufe zu machen.

Niemand kann ohne ein Geschenk nach Hause kommen. Im mondänen Schanghai wie im langsameren Peking gilt es in diesem Jahr als schick, neue Euroscheine zu den frischen Yuannoten in die roten Umschläge zu schieben, die man untereinander verteilt.

Wer kein Geld hat, muss sich schämen. Wer reich ist, zeigt was er hat. „Das hat es früher nicht gegeben“, sagt Frau Li. Sie ist Ende vierzig und erinnert sich noch an ihre Kindheit während der Kulturrevolution. Ihre Mutter besaß ein Kleid aus Seide. „Sie hat es weggeworfen, weil sie Angst davor hatte, als reich zu gelten“, erzählt sie, „und jetzt ist alles genau umgekehrt.“

Damals hätte es auch niemand gewagt, ins Horoskop zu schauen, um nicht als „abergläubisch“ beschimpft zu werden. Das ist längst vorbei. Viele junge Paare haben schnell noch vor dem Frühlingsfest geheiratet, weil das Jahr des Pferdes für die Eheschließung nicht günstig ist – obwohl es sonst als gutes Jahr gilt. Es ist das siebte der zwölf Tierzeichen des chinesischen Horoskops, und wer unter diesem Symbol geboren ist, gilt als fröhlich davonstürmend und selbstbewusst. „Na, wer’s glaubt“, murmelt Frau Li.

Sie hat sich endgültig entschieden, in Peking zu bleiben und das Beste aus dem Trubel zu machen. Sie will zum Tempelmarkt gehen, „so viel essen, dass ich mich kaum noch bewegen kann“, und den Rest der Zeit mit Freunden Poker spielen. „Eigentlich gar nicht so schlecht“, sagt sie. JUTTA LIETSCH

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