: „Schreiben Sie die Linien aus!“
■ Anhörung: Deutsche Bahn will auf Interregio-Strecken künftig nur IC schicken / Nordwest-Bahn-Betreiber Connex will Küstenstrecken bedienen
In puncto Bahnverbindungen stehen für die Bremer Region zwei Befürchtungen im Raum, die ges-tern Gegenstand einer Anhörung im Hafen- und Verkehrsausschuss waren: Wird Bremen durch Ein-sparungen der Deutschen Bahn AG im Fernnetz in Zukunft schlechter gestellt sein? So die eine Frage. Die andere betrifft die Pläne der Bahn, die Interregio-Züge bis 2004 komplett abzuschaffen.
Hans-Jürgen Meyer, bei der Bahn zuständig für die Länder Bremen und Niedersachsen, bemühte sich gestern in Bremen nach Kräften, alle Bedenken zu zerstreuen. Was den Fernverkehr anbelangt, sollen sämtliche Verbindungen in den Süden aufrechterhalten werden. Die nach Osten werden sogar ausgebaut. Im Jahr 2002 sollen Bremer sowohl über Hamburg wie auch über Hannover in weniger als drei Stunden nach Berlin kommen. „Wir haben die Frage der Anbindung Bremens sehr ernst genommen“, so Meyer.
Und auch für die Interregio-Verbindungen gab Meyer Entwarnung: Alle Strecken, die jetzt noch im Raum Niedersachsen/Bremen existieren, sollen erhalten bleiben. „Wir werden die Züge allerdings modernisieren und Intercities dort einsetzen.“ Diese Ankündigung sorgte bei Grünen und SPD für Erleichterung. „Wenn man sich die Sache genau anguckt, ist es oft viel undramatischer“, resümierte der Vorsitzende des Landeshafenausschusses Martin Günthner (SPD).
Auch der Grüne Manfred Schramm sieht die Befürchtung, die Bahn könnte ganze Strecken verwaisen lassen, zunächst nicht bestätigt. Die grünen Sorgen sind damit aber noch nicht vom Tisch. Mit den Interregios hatte die Bahn bislang eine Mischung aus Nah- und Fernverkehr angeboten. Damit ist endgültig Schluss. ICs rauschen an Bahnhöfen vorbei, die die IRs noch angefahren haben. Die Fahrkarten sind außerdem teurer. Ein reines Nahverkehrsangebot wäre aber auch keine Lösung. Seit der Bahnreform vor sechs Jahren müssen die Kommunen dafür bezahlen. So wie für den Express zwischen Bremen und Bremerhaven, der im neuen Fahrplan ab Dezember 2002 pro Tag 19 Mal fahren soll. Die Kosten dafür teilen sich die Länder Bremen und Niedersachsen.
Für die Nordsee-Küstenregion ergeben sich aus der Abschaffung der Interregios die größten Probleme. Cuxhaven, Bremerhaven, Wilhelmshaven werden schon seit Juni letzten Jahres nicht mehr von den IRs der Deutschen Bahn bedient. Während die Familie aus Saarbrü-cken früher in einem Rutsch von Saarbrücken bis Cuxhaven kam, muss sie jetzt in Münster, Bremen und Bremerhaven umsteigen. „Das werden die sich dreimal überlegen“, gibt Günthner zu. Aber die Bahn arbeitet dran. „Wir sind im touristischen Bereich noch nicht so weit, aber wir analysieren den Markt und werden dann neue Saison-Angebote machen“, erläutert Hans-Jürgen Meyer. Damit ist die DB allerdings nicht allein.
„Schreiben Sie die Strecken aus, und die Welt sieht morgen ganz anders aus“, schildert euphorisch Connex-Chef Hans Leister die Segnungen des freien Wettbewerbs. Connex, eine Tochter des französischen Vivendi-Konzerns, hat im Sommer vergangenen Jahres angekündigt, das komplette Interregio- Netz zu einem symbolischen Preis kaufen und selbst betreiben zu wollen. Auf der Anhörung des Ausschusses betrieb Leister Marketing in eigener Sache. „Wir machen Ihnen ein Angebot für eine direkte Fernverkehrsanbindung von Westfalen an die Küste“, versprach er den Ausschussmitgliedern, „und es wird günstiger sein als das der Deutschen Bahn“. Seit Anfang März betreibt Connex die ehemalige Interregio-Strecke Berlin-Gera, die von der DB für unrentabel erachtet wurde. „Bis jetzt mit großem Erfolg“, freut sich Leister.
„Ich halte Ausschreibungen für sinnvoll“, pflichten sowohl die Grünen als auch die SPD ihm bei. Zumal es auf der Sitzung auch Kritik am bräsigen Verhalten der DB gab. „Sie haben nie wirklich um die Kunden im Interregio-Bereich geworben“, moniert die Grüne Karin Krusche. „Im Gegenteil, man hat das Gefühl, sie wollen da Kunden loswerden, wo die Züge zu voll sind, anstatt ihr Angebot auszuweiten.“ Connex, die im Bremer Raum schon heute die Nordwest-Bahn nach Oldenburg und Osnabrück betreiben, hätten da einen viel kundenfreundlicheren Ruf.
Die Ergebnisse der Anhörung werden nun für eine der nächsten Bürgerschaftssitzungen zusammengefasst. Im Anschluss an die Parlamentsdebatte muss der Senat entscheiden ob und welche Stre-cken er – im Einvernehmen mit Niedersachsen – ausschreiben will.
hey
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