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Wahrheit, glatt gelogen

■ Das Satiremagazin „Titanic“ zeigt heute Dokumentationen seines Wirkens

Als die Accumulatorenfabrik Sonnenschein in den 80ern Blei in Berliner Luft und Wasser pumpte, weil sie illegal eine Schmelzanlage betrieb, reagierte die Deutsche Bundespost vorbildlich. Sie bot allen Bundesbürgern an, ihre Altbatterien doch in Zukunft in den überall aufgestellten posteigenen Behältern zu entsorgen. Die Bundesbehörde wollte den anfallenden Sondermüll umweltgerecht recyceln. Im Grunde aber wenig erstaunlich, war doch der Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling familiär mit der Tempelhofer Dreckschleuder verbandelt und daselbst 25 Jahre Geschäftsführer gewesen. Fortan hatten die Postboten ordentlich zu schleppen, und Autobatterien, die nicht durch den Briefschlitz passten, wurden an den Schaltern der Postämter abgegeben.

Einzig, die Initiative ging keineswegs vom gelben Riesen aus. Die entsprechenden Aufkleber an den Briefkästen, die Briefe an die Bevölkerung waren gefälscht. Es handelte sich um einen der spektakulärsten Fakes dieser Zeit. Auf ironische Weise wurde auf Missstände hingeweisen, das Humorvolle solcher Aktionen wollte ohne erhobenen Zeigefinger Skandale ins Bewusstsein der Menschen bringen. Ganz vorne dabei und bis heute am konsequentesten darin: das Satiremagazin Titanic aus Frankfurt. Ob führende rechtsradikale Kader per Telefon dazu aufgefordert wurden, das Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes in Anspruch zu nehmen oder per Fax und Bestechung die Fußball-WM 2006 nach Deutschland geholt wurde: Die Frankfurter beweisen seit Jahren, dass diese Aktionsform noch lange nicht ausgereizt ist.

Weitgehend unbekannt ist allerdings, dass die Satiriker auch Filmdokumentationen ihrer Dreistigkeiten angefertigt haben. Darum entschloss man sich, mit den „teuersten Filmen der Welt“ auf Tour zu gehen. Heute präsentiert Chefredakteur Martin Sonneborn zusammen mit dem Kollegen Benjamin Schiffner und Burgschauspieler Georg Behrend unter anderem einen fingierten Castor-Transport in Brandenburg, einen Besuch beim Opel-Vorstand in Rüsselsheim, bei dem sich VW-Arbeiter direkt vom Band für die Lopez-Affäre entschuldigen, oder unangekündigte Kontrollbesuche in Schweriner Ministerien, bei denen die Einhaltung der neuen Rechtschreibregeln überprüft wird.

Ergänzt wird das Programm durch Ausschnitte des Pilotfilms Titanic TV, produziert von Harald Schmidt und von mehreren Fernsehanstalten als unausstrahlbar abgelehnt. Und eins steht fest für den Abend: Alles ist gelogen und nähert sich nur auf Umwegen der Wahrheit an. Eberhard Spohd

heute, 19.30 Uhr, Audimax, Von-Melle-Park 4

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