piwik no script img

Hilfe für den Lachs: In einige deutsche Flüsse ist der große umweltsensible Wanderer zurückgekehrt

Es ist kurios, dass ausgerechnet der Lachs lange ein Fisch der Armut war. Noch im 16. Jahrhundert wehrten sich in Deutschland die Dienstboten gegen ständige Lachsmahlzeiten. In Hamburg und Bremen wurde vertraglich festgeschrieben, dass das Hauspersonal nicht mehr als zweimal wöchentlich den verhassten Wandersalmoniden essen musste. In der Bretagne waren drei Lachsmahlzeiten pro Woche erlaubt, in Norwegen bis zu fünf. Lachs war billig, er wurde überreichlich gefangen, und er war fett und deshalb sättigend – ein ideales Essen für die niederen Stände.

Noch bis in die Fünfzigerjahre gab es auch in Deutschland viele Lachse. Der Rhein galt lange Zeit als lachsreichster Fluss Europas, bevor er in den Sechziger- und Siebzigerjahren zur Müllkippe für die großen Chemiekonzerne verkam. Da Lachse besonders empfindlich auf Umweltgifte reagieren, verschwand er aus immer mehr Gewässern.

Inzwischen ist das Wasser in vielen Flüssen sauberer geworden, und die Wiederansiedlung des großen Wanderers ist gar nicht mehr so selten. Nicht nur gute Wasserqualitäten sind dazu notwendig. Von ebenso großer Bedeutung ist die Schaffung natürlicher Kiesbette als Laicharreale. Der Lachs braucht Flussmäander, in denen das Wasser nur sehr langsam fließt. Deshalb wird heute versucht, die Oberläufe der Flüsse, die Bäche und Zuläufe wieder in einen naturnahen Zustand zu versetzen. Auch Fischtreppen müssen gebaut werden, damit die Lachse den schwierigen Weg in die Kinderstube schaffen.

Die künstliche Fischvermehrung in den Brutanstalten ist eine weitere Hilfsmaßnahme. Albrecht Hahn, Fischwirtschaftsmeister in der Fischbrutanstalt Alt-Mühlenberg im Kreis Rendsburg-Eckernförde, erklärt uns, wie’s geht: Die Lachse werden, wenn sie im November und Dezember das Meer verlassen, bei ihrem Aufstieg gefangen und „abgestreift“. Nach geschicktem, „sanftem Massieren der Tiere am Bauch in Richtung Afterflosse“ geben die Weibchen ihre Eier und die Männchen ihr Sperma ab. Die Eier werden befruchtet, und die jungen Lachse in der Fischbrutanstalt bis zu einer Größe von zwei Zentimetern aufgezogen. Dann werden sie in kleinen Bächen im Einzugsgebiet von Elbe oder Stör ausgesetzt. Mit gutem Erfolg.

Vielleicht ist dem Lachs ja zum Verhängnis geworden, dass er ausgerechnet dann am besten schmeckt, wenn man ihn am wenigsten fangen und töten sollte: unmittelbar nach dem Verlassen der Meere, wenn er zurück ins Süßwasser schwimmt. Dann ist sein Fleisch rot und fest, mit Nährstoffen voll gepackt. Die Fische befinden sich in Bestform, um den strapaziösen Aufstieg zu den Laichgründen zu schaffen.

Kulinarisch ist der Lachs über jeden Zweifel erhaben. Wir sprechen hier allerdings nicht über die traurigen Exemplare, die in Käfigen mit Kraftfutter und Antibiotika gemästet werden. Zu den schönsten Dingen gehört eine Rieslingweinprobe mit Lachs: Zwei verschiedene Rieslinge und drei verschiedene Lachszubereitungen (gedünstet, gebraten, geräuchert) werden parallel verkostet. Grunderfahrungen des Lebens! MANFRED KRIENER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen