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Duke reitet die Jahrgänge

Gereifte Literaten erzählen von unreifen Protagonisten: Die Debütromane der Hamburger LiteraturaktivistInnen Michael Weins, Tina Uebel und Jürgen Noltensmeier werden morgen im Mojo unter dem Titel „Macht Deluxe“ präsentiert

von LISA SCHEIDE

Es wird Ernst in der Hamburger Off-Literatur-Szene. Drei ihrer Akteure haben ihr erstes Buch veröffentlicht: Michael Weins Goldener Reiter, Tina Uebel Ich bin Duke und Jürgen Noltensmeier Geburtenstarke Jahrgänge. Jahrelang haben die Autorin und beide Autoren in Zusammenarbeit mit anderen der Literatur aus Hamburg ein Forum geboten: mit dem Laola-Club, der Liv-Ullmann-Show, Poetry Slams, der SchiSchi-Show und jüngst dem Macht-Club. Drei DebütantInnen in den eigenen Reihen, das muss mit einer Sonderveranstaltung gewürdigt werden: „Macht Deluxe“.

Jonas Fink heißt Michael Weins‘ Ich-Erzähler. In knappen Sätzen berichtet er von der tückischen Phase zwischen Kindheit und Jugend, ficht einerseits noch Schlachten mit Playmobil-Soldaten aus, hockt aber andererseits bereits hinter der Hecke, um eine Angebetete zu beobachten. In dieser Zeit der inneren Verunsicherung verändert sich plötzlich auch noch seine alleinerziehende Mutter, gackert plötzlich drauflos, wird paranoid oder Dritten gegenüber ausfallend.

Der Titel Goldener Reiter deutet es bereits an: Die Geschichte spielt in den 80ern. Es gibt aber auch eine inhaltliche Nähe zu Joachim Witts damaligen Hit. Wie der Song ergründet der studierte Psychologe Weins hier das Phänomen Wahnsinn. Jonas‘ entwicklungsbedingte, (auch sprachlich) begrenzte Perspektive fördert die beklemmende Stimmung des Romans und vermittelt eindringlich die gedeckelten Ängste des Jungen.

Eine ähnlich dichte Erzählsituation schafft Tina Uebel in ihrem Debüt. Der namenlose Ich-Erzähler und seine Bezugsperson Duke sind allerdings in den Zwanzigern. Das Buch erzählt von der Freundschaft der beiden, ihrer ideellen Inhaltslosigkeit und emotionalen Leere. Das klaffende Loch Leben versuchen die beiden Großstädter – zunächst erfolgreich – mit Ersatz-Abenteuern anzureichern. Ihr Motto: „Copy–Paste“. Anstatt zu lieben, malen sie sich aus zu lieben. Wie man sich das vorzustellen hat, wissen sie aus den Medien; Vorstellung und Realität werden zunehmend ununterscheidbar.

Der Autorin ist ein beeindruckendes, sowohl düsteres als auch humorvolles und sprachlich brilliantes Debüt gelungen. Uebel schrieb den szenenhaften Roman bereits 1999 und war damals stark beeinflusst vom Amoklauf zweier Schüler in Littleton, USA. Ein Geschehnis, das durch Erfurt traurige Aktualität erfährt. Ich bin Duke konzentriert sich jedoch ganz auf die Darstellung eines versatzstückartigen Lebensgefühls.

Auch Jürgen Noltensmeier hält seinen Roman nicht im klassisch epischen Stil. Er lässt vier Erzähler anekdotenhaft zu Wort kommen. Vier Jugendliche, denen das Unbehagen schon namentlich anhängt: Ingo Korf, Norbert Kotzolt, Guido Baumann, Achim Schnuelle. Doch es ergibt sich kein Spannungsbogen. Der Roman erstarrt in der eingefahrenen, miefigen Entwicklungslosigkeit des westfälischen Kaffs, in dem er spielt. Gefühlsarmut, Schadenfreude und britische Soldaten bestimmen das Leben dort.

Der Banden-Freund stirbt, so ist es halt, hat sowieso genervt, irgendwie. Einer fragt nach der Schwester des anderen: „Keine Ahnung, ist nach Amerika, arbeitet bei einer Versicherungsgesellschaft. Hab nie mehr von ihr gehört.“ Leider fehlt dem Autor die Distanz zu dieser Welt. Er pointiert seine Anekdoten mit der gleichen unangenehmen Freude am Leid der Anderen, die seine Charaktere und das ganze Nest ausmachen: Ingo Korf hat eine Abschussliste, will unliebsame Gleichaltrige töten. Er beschafft sich Maulwurfsgift, an dem er allerdings fast selbst verreckt. Ein thematisch unerfreuliches Buch ohne Tiefe.

Lesung: Di, 21 Uhr, Mojo Club; Michael Weins „Goldener Reiter“, Rowohlt, 220 S., 12 Euro; Tina Uebel „Ich bin Duke“, Berliner Taschenbuch Verlag, 216 S., 8,90 Euro; Jürgen Noltensmeier “Geburtenstarke Jahrgänge“, Kiepenheuer & Witsch, 208 S., 8,90 Euro

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