Preussag reist global

Der ehemalige Energie- und Schiffbaukonzern steigt auf Touristik um, viele altgediente Mitarbeiter ächzen. Eventuell kommt neue TUI-Billigfluglinie

„Die erste deutsche Touristikaktie wird TUI heißen“, so der selbstwusste Chef

von GISELA SONNENBURG

Der weltgrößte Touristikkonzern Preussag erwägt den Aufbau einer Billigfluglinie. Bereits in einigen Monaten soll eine Entscheidung getroffen werden, sagte Vorstandsvorsitzender Michael Frenzel am Samstag in Barcelona. Die Preussag müsse sich als Reisekonzern in diesem Feld positionieren, da neben Touristen auch Geschäftsreisende denkbare Kunden für den Billigflieger seien. Die Preussag verfügt derzeit über eine eigene Flotte von 88 Chartermaschinen und agiert, als wäre sie schon immer im Tourismus eine Größe.

Dabei ist die Preussag der Exot der Branche. Vorstandschef Frenzel rüstet sein Hauses von einem produzierenden Betrieb zum Dienstleistungskonzern um. Denn die Preussag, von der nur der renommierte Name blieb – bis Juni noch, dann nennt sie sich „TUI AG“ oder noch schöner „World of TUI“ –, mutierte vom urdeutschen Energie- und Schiffbaukonzern zum bunt gemischten Touristikladen.

Die zugekauften trendigen Töchter sollen die Profite der Zukunft bringen. Globalisierung als Ausverkauf: Einheimische Betriebe wurden Stück für Stück verkauft. So die HDW in Hamburg, die größte europäische Kriegswerft. Ihre U-Boote sind jetzt fest in amerikanischer Hand, bei One Equily Partners, einem von Chicagoer Bankengeld finanzierten Konsortium. Bereiche wie Energie, Gebäudetechnik und Handel werden ebenfalls abgewickelt.

Und es werden nicht nur Firmen verkauft, sondern gleichsam auch Arbeitskräfte. Mit dem bleibenden Personal hat die Preussag intern Konflikte. Durch den rasanten Einkauf ins gebeutelte Flug- und Reisegeschäft – die TUI ist nur die größte von vielen Marken, die Preussag kaufte – veränderte sich unter der alten Firmenhülle komplett ihr Wesen.

Mitarbeiter, teils jahrzehntelang in angestammten Arbeitsfeldern tätig, wurden entweder vor die Tür gesetzt oder erhielten Aufgaben, denen sie kaum gewachsen sind. Wer etwa früher unter hartem Einsatz in Osteuropa Geschäfte für den Konzern managte, soll nun von Hannover aus Touristenströme lenken. Die Angst, zu versagen, paart sich mit dem Gefühl, langsam, aber sicher aus der Firma verdrängt zu werden. Auf Abteilungsleiterebene, so ein Insider, regiere jetzt Duckmäusertum: „Anpassen und Schnauze halten“ sei die Devise – nur heimlich bemühten sich viele, meist erfolglos, um neue Jobs.

Dass ein Konzern, der letztes Jahr noch 70.000 Mitarbeiter hatte, mit zermürbten Führungskräften funktioniert, glauben nur Hartgesottene. Offiziell betreibt Preussag dennoch Schönrednerei: Floskeln wie „exzellente Ergebnisse“ und „Spitzenniveau“ vermelden Frenzels Mannen. Am Dienstag unterzeichnete die TUI einen Vertrag, der ihr für 2,5 Millionen Euro pro Jahr das Trikotsponsorung beim Bundesligaaufsteiger Hannover 96 garantiert – schließlich sei der Konzern, so Frenzel selbstbewusst, auch „in der ersten Liga der Markenwelt“.

Belege dieser Erfolge sind auf den ersten Blick da. Doch näheres Hinsehen lässt die Mundwinkel nach unten gleiten: Zwar machte die Preussag letztes Jahr einen Umsatz von 22,4 Milliarden Euro, der Überschuss betrug 411,3 Millionen. Aber: Erzielt wurden diese Ergebnisse durch die satten Verkäufe und die Unterlassung von Investitionen in früheren Schwerpunktbereichen. Die Verschuldung des Konzerns, solchermaßen reduziert, beträgt immer noch 6,2 Milliarden Euro.

Was Preussag macht, ist eine Totaloperation: Alienhaft glitt sie peu à peu in die TUI und saugt seither, mit deren Potenz grundausgestattet, kleinere Reiseunternehmen auf. 13 Hotelgesellschaften vereint sie, vor allem im Mittelmeer- und Alpenraum: in Spanien, Italien, Frankreich, Österreich. Mit sechs Marken rangiert sie in Griechenland, wo Gehälter und Lohnnebenkosten niedrig sind. In Osteuropa hingegen ist der Konzern kaum aktiv.

Weltweit kann die Preussag zwar derzeit 150.000 Urlaubsgäste versorgen – aber ob ihre frustrierten Manager das Know-how haben, Anwärter zu finden? Doch der einst preußische Konzern stopft weiter Geld in die angepeilte Richtung: Erst seit kurzem gehört ihm die TUI España. Dicke Löcher im Etat wird sie kaum füllen. Frenzel indes frohlockt: „Die erste deutsche Touristikaktie wird TUI-Aktie heißen.“ Selbst wenn die Firma ihren Sitz in Deutschland hält und sich mit dem Verkauf von Sonnen- und Skiurlauben rettet: Arbeitsplätze bietet sie überwiegend im Ausland. Wie sagte schon Alfred Ballin, Gründer der Hapag-Lloyd, die zur neuen alten Preussag AG gehört: „Mein Feld ist die Welt“ – und ein bisschen Größenwahn.