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Nussschale hart am Wind

In Ferienkursen lernen Sechs- bis Vierzehnjährige den Palstek, Slalomsegeln und Ab- und Anlegemanöver / Am Ende der Woche sind sie fit, um alleine bei der „Gummistiefelregatta“ im August weiter oberhalb auf der Weser in Hemelingen mitzusegeln

„Ich wollte Piratin werden“, verrät die Segellehrerin grinsend.

„Vorsicht!“, ruft Jonathan. Zu spät. Er und Jan rauschen mit geblähtem Segel direkt auf eine Boje zu, die sie mit ihrem „Rotbarsch“ – so heißt ihr Optimist – meterweit vor sich her schieben. Zusammen mit Hamid, Jonny, Roberto und Lukas lernen der Sieben- und der Neunjährige seit drei Tagen auf dem Werdersee segeln.

Bei der Kollision mit der mitgebrachten Gummi-Boje ist natürlich nichts passiert. Wären die beiden stattdessen auf einen Felsen aufgefahren, wären vom „Rotbarsch“ nur noch splitterndes Holz und im Wasser paddelnde Kinder übrig geblieben. Und ihre Segellehrerin, die neunzehnjährige Céline Maywald, hätte die beiden aus dem 20 Grad warmen Wasser fischen müssen. Aber so etwas ist in ihren Kursen noch nicht vorgekommen. Sicherheitshalber tragen trotzdem alle sechs Kinder leuchtend orangefarbene Schwimmwesten.

Am ersten Tag sind die SegelschülerInnen in die kleinsten aller Segelboote gestiegen, ohne dass ein Segel gesetzt war. Immer zu zweit sollten sie erst mal das 1,13 Meter breite und 2,30 Meter lange Bötchen paddelnd kennenlernen. Alle sechs hatten vorher noch nie in einem Segelboot gesessen. Inzwischen brauchen sie das Paddeln für ihre Anlegemanöver, um vorsichtig an den Steg heranzugleiten. Das klappt natürlich nicht immer. „Manchmal kriegt man auch des Segel an den Kopf“, sagt der achtjährige Lukas. Das schreckt ihn aber nicht: „Ich mach auf jeden Fall auch den Fortgeschrittenen-Kurs.“ Am dritten Tag sausen die sechs schon mit viel Wind im Segel über den Werdersee. Manchmal hat die Naturgewalt aber eher die Kinder im Griff, als umgekehrt: „Gestern sind wir dreimal fast gekentert“, erzählt Hamid aufgeregt. So windig war es in den Übungsstunden.

Zum Segeln lernen gehört viel mehr, als im Boot zu sitzen, mit der Schot das Segel festzuhalten und mit der Pinne zu steuern, was schon nicht leicht ist. Aber ohne Theorie kommt hier niemand aus: Windrichtungen müssen die JungseglerInnen lernen und wie die wichtigsten Knoten gehen: Achtknoten, Schotstek, Palstek, Kreuzknoten und das richtige „Belegen einer Klampe“ gehören dazu. „Dafür bekommen sie alle ein Stück Schot mit nach Hause und sollen die Knoten üben“, sagt Lehrerin Céline. „Wer will kann auch noch den Henkersknoten lernen. Das wollen natürlich alle“, ergänzt sie grinsend. Wäre sie ihrem ersten Berufswunsch treu geblieben, sollte ihr dieser Knoten besonders unsympathisch sein: „Ich wollte Piratin werden.“ Mittlerweile will die junge Frau Medizin studieren, sich aber vom Segeln nicht all zu weit entfernen: „In der Karibik kommt es bei Regatten immer wieder zu Verletzungen und oft genug fehlen dort Ärzte.“

Dass Segeln nicht nur einen Job bieten kann, sondern sowieso schon Arbeit ist, lernen die Kinder auch gleich: Schließlich liegt ein Boot nicht einfach segelfertig auf dem Wasser. Die Kinder holen ihre Optis zu Beginn der Stunde aus dem Container, bauen das Segel auf und lassen sie von den Trailern ins Wasser. Am Ende der Stunde die ganze Chose umgekehrt: Segel abbauen, Boot auf den Trailer ziehen und an Land schaffen. Dort rollen die JungseglerInnen die Segel auf und säubern „Rotbarsch“, „Flipper“ und „Optibat“ mit Schwämmen, bevor sie sie wieder zum Container bringen.

Für die Prüfung zum „Jüngstenschein“, einer Art Fahrrad-Führerschein zu Wasser, müssen die sechs TeilnehmerInnen erst einmal den Fortgeschrittenen-Kurs belegen, wenn sie wollen. Und dann auch noch die Prüfung schaffen, also zeigen, dass sie ein Segel hissen, an- und ablegen können und eine Kenterübung bestehen. Dann dürfen sie auch an der „Gummistiefelregatta“ im August in Hemelingen teilnehmen, eine für Bremen noch recht ungewöhnliche Veranstaltung. Dann besonders viele Optimistenregatten gibt es an und auf der Weser nicht. Ulrike Bendrat

Bis zum Ende der Sommerferien können jede Woche neu maximal zwölf Sechs- bis Vierzehnjährige auf dem Werdersee das Segeln lernen. Interessierte wenden sich an den Studiobetrieb der Bremer Bäder „Außer Atem“, ☎ : 691 51 28.

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