american pie: Europäer erobern die Basketball-Liga NBA
Euroleague statt College
Peter Fehse, der 19-jährige Basketballer aus Halle, hat noch keinen Vertrag unterschrieben bei den Seattle SuperSonics. Er wird im August erst einmal zum Vorspielen bei dem Klub erscheinen, der beim letzten Draft seine NBA-Rechte erworben hat. Ob Fehse jemals das Dress der Sonics tragen wird, ist ungewiss. Fakt ist, dass sehr wenige Zweitrunden-Draft-Picks den Sprung in die Liga schaffen.
Unterschrieben haben jedoch der Slowene Bostjan Nachbar bei den Houston Rockets und der griechische Center Efthimios Rentzias bei den Philadelphia 76ers. Trevisos 19-jähriger Georgier Nikoloz Tskitischwili ist drauf und dran, bei den Denver Nuggets anzuheuern, desgleichen Raúl López von Real Madrid bei Utah Jazz. Der 22-Jährige soll die Nachfolge von John Stockton als Point Guard antreten. Kein Zweifel, europäische Basketballer stehen hoch im Kurs in der NBA.
Dies jedoch nur mit dem Nowitzki- oder Stojakovic-Effekt zu erklären, greift zu kurz. Natürlich hat deren Beispiel dazu beigetragen, Vorurteile abzubauen und zu demonstrieren, dass man aus Europa nicht nur erfahrene Topspieler wie Petrovic, Marciulionis, Danilovic, Divac, Kukoc oder Sabonis importieren kann, sondern auch junge, noch unfertige Nachwuchskräfte. Das wahrhaft Neue ist jedoch, dass die NBA nicht mehr nur nach potenziellen Superstars Ausschau hält, sondern inzwischen auch den Mittelbau der Teams mit gut ausgebildeten, disziplinierten Europäern bestückt. Hier leisteten Leute wie Nesterovic in Minnesota, Türkoglu in Sacramento, Gasol in Memphis, Kirilenko in Utah, Rebraca in Detroit, Drobnjak in Chicago oder Parker in San Antonio Pionierarbeit.
Vor allem der Franzose Tony Parker, der mit 19 zu den Spurs kam und sofort die Nummer eins auf der schwierigsten Position, der des Point Guards, wurde, steht für einen radikalen Wandel. In der Vergangenheit schien es undenkbar, dass ein Europäer Spielmacher eines Teams in der NBA sein könnte, wo viel mehr Improvisationsfähigkeit und Selbständigkeit gefordert wird als in den starren Systemen europäischer Coaches. Sogar die besten Point Guards der Alten Welt wie Sergej Basarewitsch oder Aleksandr Djordjevic waren bei ihren NBA-Abenteuern kläglich gescheitert. Parker jedoch fasste sofort Fuß. Sein Beispiel symbolisiert, dass es weniger ein plötzlich erweiterter Horizont der NBA-Scouts ist, der Europas Spieler so begehrenswert erscheinen lässt, sondern die drastisch gewachsene Qualität des hiesigen Basketballs, vor allem in der Europaliga.
Während früher die Ausbildung an den Colleges in den USA der in den europäischen Vereinen deutlich überlegen war, ist es heute umgekehrt. „Mir hat das College nicht gefehlt“, sagt Tony Parker, der von Paris St. Germain nach Texas kam, „ich habe, seit ich fünfzehn war, als Profi gespielt.“ In der Vergangenheit galten die Europäer in den USA zwar als gute Werfer, aber zu phantasielos und vor allem zu schwach in der Defense. Selbst Leute wie Divac oder Kukoc mussten sich deshalb jahrelang von Magic Johnson bzw. Michael Jordan herumschubsen lassen. Inzwischen sind die jungen Talente aus den europäischen Spitzenklubs jedoch in allen Bereichen oft reifer als die Kids von College oder Highschool.
Die Entwicklung wird in den USA nicht ohne eine gewisse Schadenfreude verfolgt. „Es gibt kein Gesetz, dass die NBA von afroamerikanischen Spielern dominiert werden muss“, schreibt in Sports Illustrated der – afroamerikanische – Kolumnist Phil Taylor. „Ein Weckruf für amerikanische Spieler“ sei es in jedem Fall, findet TV-Kommentator Kenny Smith.
Ein Weckruf, wie ihn das US-Team bei den letzten Olympischen Spielen erhielt, als es im Halbfinale um ein Haar gegen Litauen verlor. Die gewachsene Qualität des europäischen Basketballs schlägt sich auch in den Nationalmannschaften nieder. Gut möglich, dass es bei den Weltmeisterschaften in Indianapolis Ende August die erste Niederlage eines so genannten „Dream Teams“ zu bestaunen gibt. MATTI LIESKE
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