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Held hinter Helden

Die „splash pages“ waren das Markenzeichen des Comicautors Will Eisner. Seine „The Spirit“-Reihe aus den 40ern wurde nun auf Deutsch neu editiert

von MARTIN ZEYN

Nach dem Tod von Carl Barks, dem duckman, ist der 1917 geborene Will Eisner der letzte lebende Comicautor, der eine kanonische Figur geschaffen hat. 1940 erschien zum ersten Mal in einer siebenseitigen Geschichte der Reporter Denny Colt alias The Spirit und jagte von nun an zwölf Jahre lang Verbrecher: Immer erfolgreich, und doch dürfte kaum ein Held so oft zu Boden gegangen sein. Am Beginn noch moralinsauer – crime doesn't pay –, wird im Laufe der Jahre Spirit zu einem Helden, der seine Rolle als Saubermann belächelt.

Eisner selbst ist ein Held für viele Autoren, denn er hat die künstlerische und finanzielle Oberhoheit über seine Figur behalten – eine Ausnahme wie später Charles M. „Peanuts“ Schulz oder Bill „Calvin and Hobbes“ Watterson. „The Spirit“ erschien als eine von drei Geschichten in einer Wochenend-Comicbeilage, die Eisner an einen Zeitungsvertrieb verkaufte, ohne die Rechte abzutreten. Der selbstbewusste Unternehmer Eisner, der jahrzehntelang Comics nur als Werbung und pädagogisches Material auf den Markt brachte, behauptet großspurig, wegen seiner Figur seien in einem Fall die Verkäufe um zehn Prozent gestiegen. Die Zeitungen wollten nun speziell mit Spirit werben – doch das erwies sich als unmöglich. Eisner beharrte darauf, den Schriftzug in jeder Folge dem Schauplatz der Geschichte anzupassen. Eine immer wieder erzählte amerikanische Comiclegende von Freiheit und Chuzpe.

Als Erster hat Eisner im Detektivgenre die Möglichkeiten gezeigt, die für eine selbstironische und -reflexive Darstellung bleiben. Viele der ersten Seiten sind so genannte splash pages – eine Zeichnung auf der gesamten Fläche. Bis heute bewundern Comicgrößen wie Allan Moore („er ist der Boss“) oder Mad-Erfinder Harvey Kurtzman („visueller Glamour“) die grafische und erzählerische Brillanz dieses Eisner’schen Markenzeichens. Er lässt Figuren sich an den Spirit-Schriftzug anlehnen wie an ein reales Objekt oder zeichnet den lesenden Spirit quasi als Pressefoto vor dem Hintergrund einer Zeitungsseite, die über ihn berichtet. Das Text-Bild-Schisma wird gründlich durchmischt und nahezu aufgehoben. Spielerisch offenbaren diese splash pages ihren Zeichencharakter und zeigen, dass sie nur Repräsentationen der Welt darstellen: Postmoderne avant lettre.

Will Eisner könnte auch in Deutschland ein Comicstar sein. Viele Arbeiten, vor allem die späten graphic novels, wurden übersetzt, allerdings bei verschiedenen Verlagen, und fast alle sind vergriffen. Schon 1977 erschien ein schmaler „Spirit“-Band, eine achtbändige Ausgabe folgte in den Achtzigern. Jetzt hat der kleine Eckart Schott Verlag die Rechte für den vollständigen Reprint erworben. Allein der jetzt vorliegende, gerade mal sechs Monate umfassende erste Band hat 240 Seiten, die meisten hier bisher unveröffentlicht. Kenntnisreiche Vorworte stellen die Bedeutung von Eisner dar, es gibt endlich genaue editorische Angaben, und – last but not least – die Ausgabe ist sogar billiger als das US-Original. Vielleicht gelingt es dieser vorbildlichen Edition, Will Eisner dauerhaft in Deutschland zu etablieren. Oder sind wir kein Land mehr für Helden?

Will Eisner: „The Spirit“, Juni bis Dezember 1940, Salleck Publications – Eckart Schott Verlag 2002, 240 S., 46 €

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