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Zum Beispiel Witold D.

Natürlich gehört das Geld dazu, aber es ist nicht das Wichtigste.“ Witold Dobski schüttelt bedächtig den weißhaarigen Kopf. „2.500 Euro für drei Jahre Zwangsarbeit. Das sind gerade Mal fünf meiner monatlichen Renten. Viel wichtiger ist das Gefühl von Moral und Anstand, das nun wiederhergestellt ist.“

Dobski gehört zu den ersten polnischen Zwangsarbeitern, die einen Scheck aus Deutschland bekamen. Vor einem Jahr hielt er in Warschau in der Kanzlei des Premiers die Festrede: „60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Naziterror sind von den einst drei Millionen polnischen Zwangsarbeitern nur noch 500.000 übrig geblieben“.

„Damals“, sagt Dobski, „habe ich die Botschaft der polnischen Bischöfe an die Deutschen von 1965 wiederholt: ‚Wir vergeben, und wir bitten um Vergebung.‘ “ Für einen Moment schließt der alte Mann die Augen. „Aber wenn ich mir heute den scharfen Ton der Vertriebenen gegen uns Polen anhöre, gegen die Bierut-Dekrete, die doch gar nicht mehr gelten, dann weiß ich nicht, ob die Deutschen unser Versöhnungsangebot je gehört haben.“

Im März 1942 war der damals 17-Jährige nach Berlin deportiert worden. Der Gymnasialschüler aus Ostrow sollte als „angelernter Schlosser“ im Reparaturwerk der Lufthansa „Am Tempelhof“ arbeiten. Dobski erinnert sich: „Nach und nach wurden die Deutschen, die dort arbeiteten, in die Wehrmacht eingezogen. Als nach einem Jahr fast nur noch Russen, Polen und Ukrainer übrig blieben, bekam Lufthansa Angst vor Sabotageakten.“ Ein Teil der Zwangsarbeiter wurde auf andere Unternehmen verteilt. „Ich hatte unglaubliches Glück“, erzählt Dobski, „denn ich landete in der Gaugroßküche in Berlin-Hohenschönhausen!“ Dort wurde für die ausgebombten Berliner gekocht. „Dass alle in der Küche wie die Raben geklaut haben, kann man sich denken. Am meisten natürlich die Deutschen, die das Essen dann auf dem Schwarzmarkt weiterverkauft haben.“

1944 kehrte Dobski nach Ostrow zurück und wurde dort prompt zum Bau des Ostwalls zwangsverpflichtet. „Im Frühjahr kam dann die Rote Armee, und ich konnte nach Hause gehen.“ GABRIELE LESSER

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