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Tanz der Debütanten

Sicherheit, Normalität, gertröstete Witwen und das grandiose Scheitern orientierungslos Pubertierender: Sieben (Wahl-) Hamburger AutorInnen lesen im Literaturhaus aus ihren großstädtischen Erstlingswerken, teils kräftig krisendurchsetzt

von LISA SCHEIDE

Zum Glück jubelt heute niemand mehr „Pop“, sobald verhältnismäßig junge Großstädter ihren ersten Roman schreiben. Das käme einem Sprung in der Platte gleich, denn allein aus Hamburg kommen dieses Jahr sieben Erstlingswerke. Die Gleichmeierei durch die überstrapazierte und unpräzise Kategorie „Pop“ täuscht dabei oft genug über die Verschiedenartigkeit der Werke hinweg.

Im Literaturhaus stellen heute auf dem Debütantenball einige (Wahl-)HamburgerInnen ihre Romane vor. Der jüngste von ihnen ist der gebürtige Kölner Michael Weins. Durch seine Präsenz im Laola-Club, der Liv-Ullman-Show und dem Macht-Club ist er der Literatur-Off-Szene schon lange ein Begriff. Sein Buch Goldener Reiter spielt im Hamburg der 80er Jahre.

Der junge Jonas Fink erreicht nicht nur die Pubeszenz, zu allem Überfluss wird auch seine Mutter in dieser verunsichernden Phase verrückt. Zusehends verwirrt, versucht Jonas krampfhaft Sicherheit und Normalität zu erlangen. Der Diplom-Psychologe Weins erzählt seine Geschichte aus der Sicht des Jungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und schafft so eine beengende Stimmung.

Verena Carl wurde in München geboren, arbeitet heute in Hamburg als Redakteurin einer Frauenzeitschrift und ist seit Jahren in der Poetry-Slam-Szene aktiv. Ihr Debüt Lady Liberty handelt von der Entscheidungsfindung der 19-jährigen Jenny nach ihrem Abitur. Weil die Protagonistin noch nicht weiß, wie ihr Leben weitergehen soll, spendiert der Vater seiner Tochter einen Flug nach New York. Jennys Suche nach ihrem Weg fällt allerdings recht pathetisch aus. Die Freiheit ist es, die sie in New York sucht und auch zu finden glaubt. Eine exklusive Freiheit, die beim Anblick der glitzernden New Yorker Skyline (noch mit dem World Trade Center), Verständnis für den strengen, autoritären Grenzkontrollbeamten aufbringt, weil er „etwas wertvolles bewacht und keine Diebe ins Land lassen darf.“

Die gebürtige Hamburgerin Tina Uebel ist ebenfalls in der Poetry-Slam-Szene aktiv, aber auch über den Macht-Club bekannt. Ihr Roman Ich bin Duke spielt in irgendeiner Großstadt, beschäftigt sich aber nicht mit der Suche nach Identität, sondern dem Scheitern der Individuen in einer reizüberfluteten Welt.

Die beiden Wahl-Hamburger Jürgen Noltensmeier (Mitinitiator der Liv-Ullman-Show) und Andreas Münzer haben die Handlung ihrer Bücher in ihre Heimat verlegt. In Noltensmeiers Buch Geburtenstarke Jahrgänge erzählen vier junge Männer episodenhaft von ihrer Jugend in einem ostwestfälischen Kaff, welches dem Vernehmen nach schrecklich ist und ebensolche Menschen hervorbringt. Geburtenstarke Jahrgänge kann nur bedingt als Roman bezeichnet werden, eignet sich aber hervorragend zum Vorlesen.

Andreas Münzers Buch Die Höhe der Alpen spielt in den Schweizer Alpen. Der Autor beschäftigt sich mit einer komplizierten, von autoritären Strukturen geprägten Vater-Sohn-Beziehung. Ein Zivildienstleistender igelt sich in Marc Worthmanns Erstling Der Witwentröster in einem Altonaer Seniorenheim ein, um den 60 alten Frauen Trost zu spenden, beziehungsweise – wie der Protagonist Jan Oltrogge sich ausdrückt – an die Stelle ihres „Mangels“ zu rücken. Ein eindringlicher und eigenwilliger Roman des gebürtigen Hamburgers und zugleich der thematisch ausgefallenste des Debütantenballs.

Die älteste Autorin ist Stefanie Viereck. Die Hamburgerin hat bereits einige Erzählungen veröffentlicht und Pubertät sowie jugendliche Findungsstörungen hinter sich gelassen. Ihr erster Roman Der blaue Grund handelt von verdrängten Familien-Geheimnissen, die der Tod des kleinen Florian am Tag seiner Taufe heraufbeschwört.

Debütantenball: Literaturhaus, heute, 19 Uhr. Mit Matthias Göritz (Moderation), Carla Riveros (DJ) und den Autoren

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