piwik no script img

berliner szenen Flohmarktgesetze

Auf der Jagd nach Vinyl

Flohmärkte sind Orte des Friedens. Man bummelt verschlafen an einem Sonntagmorgen über das Terrain. Ab und zu bleibt man stehen, hält einen obskuren Gegenstand prüfend ins Tageslicht, geht weiter zum nächsten Tisch. Ob man kauft oder nicht, spielt keine Rolle, ist alles irgendwie egal. Das Alles-irgendwie-egal-Gesicht sieht man besonders häufig bei den potenziellen Plattenkäufern. Sie, die weder einen Blick für Möbel und Hausrat haben noch sich für den restlichen Plunder interessieren, sind die stillen Helden der Flohmarktszene: wandelnde Schatzgräber auf der Suche nach rarem Vinyl.

Ihre Körpersprache aber verrät sie. Bei ihnen ist nämlich überhaupt nichts egal. Angestrengt arbeiten sie eine Plattenkiste nach der anderen durch. Mit krummen Rücken stehen sie da, die Blicke starr auf Cover und Titel gerichtet, nur ein kleines Aufblitzen der Augen signalisiert die Treffer. Doch sie versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. Fast gelangweilt ziehen sie das schon lange gesuchte Vinyl heraus, legen es beiläufig zur Seite und suchen erst einmal weiter. Der Plattenverkäufer beobachtet sie längst mit ebenso gelangweiltem Gesicht. Er kennt diese Spezies. Ihm kann man nichts vormachen.

Dann kommt der entscheidende Moment. „Ich würde die Housemartins ja nehmen, aber nicht für diesen Preis, außerdem habe ich die Platte schon als CD.“ Der Verkäufer kontert mit einem lässigen Schulterzucken. Die nächste Phase tritt ein. Fachmännisch wird das Vinyl untersucht. Eventuelle Kratzer bringen vielleicht doch noch den erwünschten Rabatt. Bekommen sie dann ihre Platte für vier anstatt der verlangten fünf Euro huscht ein befriedigtes Lächeln über ihr Gesicht. Beruhigt können sie nach Hause gehen. ROBERT HODONYI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen