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zwischen den rillenNeue Musik von Audioslave, Foo Fighters, Pearl Jam

Tage des schönen Stillstands

Man könnte an ein Revival denken. Ja, man könnte erleichtert darüber sinnieren, dass es sich mit den Achtzigern endlich hat und nun die frühen Neunziger dran sind, die hohe Zeit von Grunge. Es gibt dieser Tage ein Nirvana-Album, es gibt die Tagebücher von Kurt Cobain, es gibt neue Alben von Pearl Jam, den Foo Fighters (mit Nirvana-Schlagzeuger Dave Grohl) und von einer Band namens Audioslave, die aus Mitgliedern von Soundgarden und Rage Against The Machine besteht.

Die Klasse von 1991 ist zurück. Sie war allerdings auch nie verschwunden. Von einem Revival kann keine Rede sein, denn sieht man aus den bekannten Gründen von Nirvana ab, haben alle Musiker und Bands immer stur weitergemacht und ihren Stiefel gespielt. Mehr denn je bedeutet Großrock dieser Tage Wertkonservatismus. Da darf man schon mal ins Grübeln kommen: War da mal was? War Rockmusik wirklich mal die Musik der Befreiung? Oder zumindest ein Dissidenzmodell? Haben da wirklich mal ein paar Musiker versucht, ihr Nichteinverstandensein zu artikulieren und gegen die bestehenden Verhältnisse angesungen, gegen schlechte Fastfood-Musik, MTV und mehr?

Mehr noch als Kurt Cobain standen zumindest Rage Against The Machine seinerzeit für eine Art Rock, der nicht nur um seiner selbst willen gespielt wurde. Der nicht nur das Leid des in der Regel heterosexuellen, weißen, männlichen Subjekts vertonte, sondern der politische Sendungen transportieren wollte: dass die Todesstrafe abgeschafft gehört, Abu Jamal unschuldig ist, die Zapatisten in Mexiko unterstützt werden müssen etc.

Als aber Rage-Sänger Zak La Rocha vor zwei Jahren das Handtuch warf, hatte es sich mit dieser Form des Politrock. Der Großproduzent Rick Rubin (Slayer, Beastie Boys, Jonny Cash) riet den drei Restmitgliedern Morello, Cunningford und Wilk, es doch mit dem Ex-Soundgarden-Sänger Chris Cornell zu versuchen, der sich nach der Auflösung seiner Band erfolglos als Soloartist versuchte.

Durchaus angetan von der Idee, stellte Cornell zwei Bedingungen: Er wollte nicht der neue Sänger von Rage Against The Machine werden. Und: Er wollte keine explizit politischen Lyrics schreiben und singen müssen. Die anderen stimmten zu, man begann Stücke einzuspielen, sich von Tag zu Tag besser zu verstehen und enorm kreativ zu werden. Das Audioslave-Debüt mit seinen 14 Stücken ist tatsächlich ein wuchtiges und gutes Rockalbum geworden. Die Ex-Rage-Members spielen überwiegend nicht mehr ihren nervösen, funkigen Hauruck-Sound, sondern sehr ausgefeilten, auf die Knödelstimme von Chris Cornell abgestimmten Rock. Dicker Daumen, feine Zwischentöne, Rockballaden. Klassikrock, der das Genre nicht vom Kopf auf die Füße stellt, lieber den schönen Stillstand als den schönen Schrecken feiert und von verschwiemelten Lyrics bestimmt wird: „If you’re free, you’ll never see the walls, if you’re head is clear, you’ll never free fall“. So kann man das mögen, so muss man aber auch konstatieren: Jede New-Metal-Band ist innovativ dagegen. Ja, selbst den Rolling Stones möchte man mehr Mut zu Neuem attestieren.

Auch Dave Grohl macht mit seinem vierten Foo-Fighters-Album „One By One“ dort weiter, wo er nach dem Nirvana-Ende 1994 angefangen hatte: Power-Poprock, energisch, melodiös, aber weit davon entfernt, sich in innerste Bezirke vorzutasten. Da fallen viele Hits ab, da muss man aber schon hart gesottener Fan sein, um einen Unterschied zum Frühwerk rauszuhören. Sollte Grohl aus dem Latschen gekippt sein nach Cobains Tod, so lässt er sich das weiterhin nicht anmerken. Gebrochenheit klingt anders.

Irre geworden zu sein, das konnte man dagegen in manchen Momenten Pearl Jam anmerken. Eddie Vedder schien Cobains Tod tatsächlich an die Nieren gegangen zu sein, und Pearl Jam erteilten sich daraufhin einen relativ strikten Medien- und Videodrehboykott. Das Unglück von Roskilde schien dann irgendwie nur zu gut zu dieser unglücklichen Band zu passen. So wären Pearl Jam, da es sie immer noch gibt, eigentlich mal reif für richtig kaputte Musik, für dunkelste Inszenierungen, für Deer-Hunter- oder Ich-habe-den-Wahnsinn-gesehen-Musik, für Ausbrüche jedweder Art. Stattdessen begnügen sie sich seit ungefähr vier Alben damit, nicht mehr so zu klingen wie ihre aktuellen Epigonen von Creed, Nickelback oder Puddle Of Mudd.

Ihr neues Album „Riot Act“ ist ein müdes Stück Rockmusik, so müde, dass selbst ein Anti-Bush-Song wie „Bushleaguer“ höchstens wie eine müde Parodie auf einen Anti-Bush-Song wirkt. Ganz integer, aber ausgepumpt. Da singen sie in besagtem Song „I remember when you sang that song about today/Now It’s Tomorrow And Everything Has Changed“. Da wissen sie aber, genau wie ihre Kollegen aus der Klasse von 91, auf eine solche Einsicht zumindest musikalisch keine entsprechende Antwort mehr zu finden. GERRIT BARTELS

Audioslave: „dito“ (Epic/Sony); Foo Fighters: „One By One“ (RCA/BMG); Pearl Jam: „Riot Act“ (Epic/Sony)

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