: Arbeit für alle: Häuser ohne Plastik
Bundesweit erstes Gütesiegel von Greenpeace für Modellsanierung „Bürger 202“ in Bremerhaven
In dem Haus in der Bürgermeister-Smidt-Straße 202 in Bremerhaven lässt es sich wieder gut leben. 1906 erbaut, stand es mit seinen 20 Wohnungen zu je einhundert Quadratmetern lange leer, lediglich im Keller befand sich eine Diskothek. Grund für den Leerstand: Das alte Jugendstilhaus war dringend sanierungsbedürftig. Diese Arbeiten sind jetzt abgschlossen.
Dass für die Wohnungen schon neue Mieter gefunden wurden, als die Sanierungsarbeiten noch liefen, kommt nicht von ungefähr. Der Clou an dem Modellsanierungsprojekt ist: Das Gebäude wird klima- und umweltfreundlich saniert, die BewohnerInnen sparen jede Menge Heizkosten und ziehen in ein gesundes Wohnumfeld.
„Besonders schwierig war es, Fenster ohne Plastik zu beschaffen“, berichtet Werner Frey, Sprecher der IG-Bauen – Agrar – Umwelt. „Die haben wir nach langem Suchen bei einem österreichischen Anbieter gefunden.“ Denn die Öko-Anforderungen zu erfüllen hieß, komplett auf PVC, Urwaldholz und FCKW-haltige Baustoffe zu verzichten. Die Bau-Aufträge wurden vornehmlich an kleine Handwerksbetriebe vergeben, bei denen die gültigen Sozialstandards und Tarifvertäge garantiert waren. Das gehörte ebenfalls in den Rahmen dieses Sanierungsmodells. Dafür vergaben die IG Bau und Greenpeace erstmals das Gütesiegel „Das Plus für Arbeit und Umwelt“.
Dem Projekt „Bürger 202“ vorangegangen war eine von beiden Organisationen in Aufrag gegebene Studie. Diese sollte zeigen, dass Umweltschutz und das Bereitsstellen von Arbeitplätzen in keinem Wiederspruch zueinander stehen. Jetzt gilt: Wer als Bauherr die Auflagen der Studie erfüllt, bekommt das Gütesiegel. Durch die Unterstützung der Stadt Bremerhaven mit 250.000 Euro und dem „Bremer Energie-Konsens“ kam schließlich das ganze Unternehmen ins Rollen.
Unnolf Harder von Greenpeace, einer der Initiatoren, freut sich über das Projekt-Ergebnis: „Sowohl bei den verwendeten Materialien als auch beim Einsparen von Kohlendioxid für das Beheizen der Wohnungen liegen wir sogar weit unter den Anforderungen, die für die Vergabe des Gütesiegels erforderlich sind.“ Er räumt jedoch ein: „Man hätte auch noch umweltverträglicher bauen können. Es ging aber in erster Linie darum, auf die schlimmsten Stoffe zu verzichten, damit solche Sanierungsmaßnahmen auch wirklich umgesetzt werden können“.
Letztlich muss ökologisch vertretbares Sanieren nicht teurer sein. Was die Mieter an Heizkosten sparen, wird auf die Kaltmiete umgelegt. So investiert man aktiv in den Umweltschutz ohne mehr zu zahlen. Die Gesamtprojektkosten beliefen sich auf 1,5 Millionen Euro. Das sind lediglich fünf Prozent mehr als für die Sanierung vergleichbarer Objekte veranschlagt wird.
Wenn auch noch kein zweites Projekt dieser Größenordnung auf dem Programm stehe, so hoffen doch alle Beteiligten nach solch positiver Bilanz auf die Signalwirkung des Bremerhavener Modells. „Wenn unser Beispiel Schule macht, könnten bis zum Jahr 2005 über 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart und 400.000 Arbeitsplätze geschaffen werden“, rechnet Unnolf Harder vor. Jörg Fischer
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