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Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich

■ UKE-Professoren schwänzen den Unterricht / Studis fordern Disziplinarmaßnahmen

Ein Vorurteil wird bestätigt. Hamburgs Medizinprofessoren vernachlässigen ihren Lehrauftrag am Uniklinikum Eppendorf, behandeln lieber gegen gutes Geld ihre Privatpatienten, statt sich mit der aufsässigen Studentenschaft zu beschäftigen. Zu diesem Schluß kommen jedenfalls die studentischen Vertreter der Kommission „Lehre in der Klinik“, die im vergangenen Jahr die Arbeitsmoral am UKE untersucht hat.

Ergebnis: Von 77 Dozenten erfüllen gerade neun ihre gesetzlichen Lehr-Verpflichtungen, der Rest macht sich gerne mal dünne – Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Ute Watermann, an der Untersuchung beteiligte Promotionsstudentin am UKE, greift dann auch zu einem drastischen Vergleich: Das Verhalten der UKE-Profs entspräche demjenigen eines Arbeitnehmers, der regelmäßig ab Donnnerstag zu Hause bleibt. „Lehrbetrug“ sei das, wettert Watermann und fordert von der für die Uniklinik zuständigen Wissenschaftsbehörde Disziplinarmaßnahmen gegen die betroffenen Mediziner.

Offiziell soll das Untersuchungsergebnis erst am Mittwoch vorgestellt werden, der Spiegel veröffentlicht jedoch bereits heute Zahlen, nach denen die Schwänzrate in fast allen medizinischen Fachbereichen dramatisch ist. Danach kommen zum Beispiel die UKE-Chirurgen ihren gesetzlichen Lehrverpflichtungen gerade mal zu 28 Prozent nach, die Urologen schaffen 32 Prozent. Für Psychiatrie und Gynäkologie errechnete die Kommission je 36 Prozent, für die Neurologie 52. Am fleißigsten sind noch die Augenärzte und Internisten, deren Quote mit 73 Prozent angegeben wird.

Fast 2000 Unterrichtsstunden, das geht aus der Untersuchung hervor, gehen den Studierenden so pro Semester verloren. Dabei sind die UKE-Dozenten ohnehin per Lehrverpflichtungsverordnung besser gestellt als ihre Kollegen an der Uni. Zwecks Krankenversorgung müssen sie wöchentlich nur vier statt acht Stunden mit ihren Studis verbringen.

Eine Zeit, die die Medizinprofessoren nach Angaben von UKE-Sprecherin Marion Schafft unter anderem dadurch verkürzen, daß sie die Lehrverpflichtungen an ihre Assistenten delegieren. Deshalb, so Schafft, seien unterm Strich eigentlich auch gar keine Stunden ausgefallen. Uni-Präsident Jürgen Lüthje plädiert laut Spiegel ebenfalls auf mildernde Umstände für die Mediziner. Die seien durch ihre Arbeit am Patienten ohnehin stark überlastet.

Wenig wahrscheinlich also, daß die Wissenschaftsbehörde die geforderten Disziplinarmaßnahmen auch tatsächlich einleitet. Behördensprecher Tom Janssen verwies vorsorglich schon einmal auf die geplante UKE-Reform, deren Ziel unter anderem die Trennung von Forschung und Lehre auf der einen und Krankenversorgung auf der anderen Seite sei. uex/lno

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