piwik no script img

ArbeitsschutzGewerkschaft gegen Gewerkschaft

Die IG Metall wirft dem Windkraftanlagenhersteller Bard vor, den Schutz seiner Mitarbeiter vor Gefahrstoffen zu vernachlässigen. Teilen der Belegschaft missfällt die Kritik. Sie fürchten um Image und Jobs.

Nicht begeistert von der IG Metall: Bard-Mitarbeiter demonstrieren am 7. Juli in Emden gegen ihre eigene Gewerkschaft. Bild: dpa

Beim Windkraftanlagenhersteller Bard in Emden streiten sich Teile der Belegschaft mit der Gewerkschaft IG Metall. Diese hatte behauptet, ein neuer Härter bei der Herstellung von Windradflügeln mache die Arbeiter krank. Die Beschäftigten sahen den guten Ruf ihres Unternehmens gefährdet: Wenigstens 350 Mitarbeiter demonstrierten vor dem Emder Gewerkschaftsgebäude. Sie trugen Transparente wie "Gefährliches Halbwissen ist schlimmer als Gefahrstoff".

Der Gefahrstoff, um den es geht, heißt "Epikure". Er wird verwendet, um das Epoxidharz zu härten, mit dem die Windmühlenflügel laminiert werden. Bard-Mitarbeiter hätten über Allergien, Hautausschläge und Juckreiz geklagt, seit eine neue Mischung von Epikure verwendet werde, sagt der erste Bevollmächtigte der IG Metall Emden, Wilfried Albers. Zusammen mit seinen Kollegen informierte er im Juni die Beschäftigten und bot ihnen langärmelige T-Shirts an: als symbolische "Schutzkleidung". In der Juli-Ausgabe der von der IG Metall herausgegebenen Metallzeitung wurde über die Aktion und den angeblich mangelnden Arbeitsschutz bei Bard berichtet. Der neue Härter binde besonders schnell ab, heißt es darin, und sei besonders giftig.

Zudem beschwerten sich immer mehr Beschäftigte über mangelhafte oder nicht richtig genutzte technische Einrichtungen, behauptet die Gewerkschaft. Mitarbeiter würden unzureichend geschult und nicht sorgfältig genug im Umgang mit dem Härter und anderen Gefahrstoffen unterwiesen. Aus Angst vor den Vorarbeitern - und wegen ihrer befristeten Jobs - wollten die Betroffenen anonym bleiben, so die IG Metall. Seit Januar treffe sich ein Kreis von rund 30 Beschäftigten "die sich nicht mehr alles gefallen lassen wollen", darunter viele Leiharbeiter, die die schmutzigsten Jobs mit der schlechtesten Schutzausrüstung erledigen müssten.

Bard-Sprecher Andreas Kölling wirft der IG Metall vor, mit ihren Vorwürfen so vage zu bleiben, dass seine Firma nicht juristisch dagegen vorgehen könne. Die Vorwürfe bezeichnet er als "an den Haaren herbeigezogen": Es gebe keinerlei Fälle von Hautausschlag. Allein 2009 habe Bard 1,7 Millionen Euro in den Arbeitsschutz investiert. Alle Mitarbeiter erhielten eine Einweisung und Schutzkleidung. Leiharbeiter würden von ihren Stammfirmen eingewiesen.

Bard arbeite bei der Flügelherstellung mit einem Verfahren, das die Arbeiter gar nicht mit dem Harz oder Härter in Berührung bringe, so Kölling weiter. Nur in Randbereichen der Fertigung laminierten wenige Mitarbeiter noch von Hand.

Epoxidharz hat es durchaus in sich. "Generell ist bei Epoxidharz-Inhaltsstoffen immer mit einer allergisierenden Wirkung zu rechnen", sagt Eberhard Nies, Toxikologe bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Die Berufsgenossenschaften, Träger der DGUV, hätten "erhebliche Probleme mit Epoxidharz". Führt die Allergie zu einer Arbeitsunfähigkeit, muss die DGUV dem betreffenden Mitarbeiter eine Umschulung zahlen - oder gar eine Rente.

Das Problem mit dem Epoxidharz sei, dass es bei niedrigen Temperaturen abbinden solle, daher hoch reaktiv sei und "per se schon sensibilisierend", sagt Nies. Dabei könne eine Allergie schon beim zweiten Kontakt mit so einem Stoff ausbrechen. Epoxidharze zu verbieten, sei aussichtslos, weil sie fast überall verwendet würden. Entscheidend sei der richtige Umgang damit: in Schutzkleidung und mit Gebinden, die Spritzer vermeiden.

Leiharbeiter machen den Berufsgenossenschaften Nies zufolge besondere Sorgen. "Man kann in vielen Fällen davon ausgehen, dass Leiharbeiter technisch nicht so gut unterwiesen werden." Zeigten sie Krankheitssymptome gingen sie zurück an die entleihende Firma und entgingen so der Statistik.

Der Betriebsratsvorsitzende Udo Grube versichert, die Bard-Mitarbeiter würden ausreichend geschult und hätten gute Schutzkleidung. Unternehmenssprecher Kölling vermutet, dass der Gewerkschaft nicht nur am Arbeitsschutz gelegen ist: "Es geht um den Alleinvertretungsanspruch der IG Metall in der Windkraftbranche", behauptet er. Für Bard in Emden fühlt sich sowohl die IG Metall zuständig als auch die IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!