american pie : Arbeitskampf auf dünnem Eis
Heute läuft der Arbeitsvertrag zwischen der Eishockeyliga NHL und den Spielern aus. Ein neuer Kontrakt ist nicht in Sicht, die Saison in Gefahr
Letzte Nacht bestritten die Eishockeymannschaften von Kanada und Finnland in Toronto das Finale des World Cup. Der Ausgang dieses Spiels war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt, doch egal, wer gewonnen hat, es handelte sich in jedem Fall um ein ganz besonderes Match. Der World Cup wurde nämlich von der National Hockey League (NHL) veranstaltet, und es könnte für sehr lange Zeit das letzte NHL-Eishockey gewesen sein, das es zu sehen gab.
Heute läuft der kollektive Arbeitsvertrag zwischen NHL und der National Hockey League Players Association (NHLPA) aus, ein neuer ist nicht einmal ansatzweise in Sicht. Daher gilt als sicher, dass die Besitzer der 30 Klubs unverzüglich eine Aussperrung der Profis verkünden werden und sich der Beginn der neuen Saison um unbestimmte Zeit verzögert. Befürchtungen, dass sie gänzlich ausfallen könnte, sind keineswegs unbegründet. Der letzte Arbeitskampf vor zehn Jahren dauerte 103 Tage, gut die Hälfte der Saison 1994/95 fiel ihm zum Opfer. Diesmal, so vermuten viele Beobachter, könnte die Sache noch krasser werden. Beide Seiten bereiten jedenfalls auf ihre Weise einen längeren Stillstand vor. Die Besitzer haben in den letzten Jahren einen Fonds von 300 Millionen Dollar angesammelt, die Spieler sehen sich nach anderen Arbeitsplätzen um. Einige NHL-Profis wird man auch in der DEL antreffen, zum Beispiel Marco Sturm in Ingolstadt oder Jochen Hecht in Mannheim.
Das Problem, welches Liga und Spieler entzweit, ist ebenso simpel wie unlösbar. Die Klubbesitzer wollen keinen Vertrag akzeptieren, der nicht eine Gehaltsobergrenze, die so genannte Salary Cap, enthält. Für die Spieler hingegen ist die Einführung einer Salary Cap der einzige Punkt, den sie in keinem Fall akzeptieren wollen. „Wir haben klar gemacht, dass es eine Menge gibt, über das wir zu reden bereit sind, um ein faires Ergebnis zu erreichen“, sagt NHLPA-Direktor Ted Saskin, „das Einzige, worüber wir nicht zu reden bereit sind, ist eine Salary Cap.“
Die Geister scheiden sich schon an den Zahlen, die der Auseinandersetzung zugrunde liegen. Die Notwendigkeit einer drastischen Reduzierung der Spielergehälter begründen die Klubchefs mit dem Verlust von 224 Millionen Dollar, den die NHL-Teams allein im letzten Jahr einfuhren. Die Spieler-Gewerkschaft macht geltend, dass nur sechs von 30 Teams für 75 Prozent dieses Verlustes verantwortlich seien. Diese hätten einfach miserabel gewirtschaftet, und die Spieler seien nicht bereit, Probleme zu lösen, die mit der Marktsituation, schlechten Arenen und unternehmerischer Unfähigkeit zusammenhängen. Sicher ist lediglich, dass der Popularität des Eishockeys in Nordamerika und damit einem wirtschaftlichen Aufschwung ein langer Ausstand wohl kaum zugute kommen dürfte.
Sechs Vorschläge haben die Besitzer in den letzten Wochen gemacht, alle wurden von den Spielern umstandslos abgelehnt, weil jeder die verhasste Gehaltsobergrenze enthielt. Ein bei den Verhandlungen vergangene Woche in New York vorgelegtes Angebot der Spieler-Gewerkschaft wiederum wurde von den Besitzern zurückgewiesen. Es sah einen fünfprozentigen Gehaltsverzicht vor, Gewinnumschichtungen und eine Luxussteuer, welche die Klubs beim Überschreiten einer bestimmten Gehaltssumme zahlen müssen. Eine solche Luxussteuer hatte jüngst den Arbeitskampf in der Basketball-Liga NBA in letzter Minute verhindert, doch die Eishockeybosse bestehen auf der Salary Cap. „Wir bekamen nicht nur einen Vorschlag, der sich wenig vom vorherigen unterschied, sondern einen, der sogar ein Rückschritt war“, schimpfte Bill Daly, der Chefverhandler der NHL. „Unser Angebot war die beste Chance, die Eishockeysaison zu retten“, hält Spielervertreter Trevor Linden, Mittelstürmer der Vancouver Canucks, dagegen. Nach Meinung von Ted Saskin wollen die Klubbesitzer die Aussperrung, weil sie glauben, die Spieler nur auf diese Weise zum Akzeptieren der Salary Cap zwingen zu können: „Indem sie die einzige Sache, über die wir nicht reden wollen, zu ihrem einzigen Punkt machen, zeigen sie deutlich ihre Intention.“
Die gescheiterte Verhandlungsrunde in New York ließ alle Hoffnungen auf eine schnelle Beilegung des Konflikts platzen. „Wir sprechen nicht einmal dieselbe Sprache“, stellte NHL-Commissioner Gary Bettman resigniert fest, einen Termin für neue Gespräche gibt es nicht. „Ich kratze mir den Kopf“, sagt Bill Daly, „und frage mich, wie es weitergehen soll.“ Da ist er beileibe nicht der Einzige. MATTI LIESKE