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Arbeitsförderung bedeutet „Abwärtsspirale“

■ Kritik in Bundestagsdebatte an Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz: SPD will Reform nicht mitmachen. Bundesrat könnte nun doch zum Stolperstein werden

Bonn (AFP) – Der SPD-beherrschte Bundesrat könnte zu einem Stolperstein für die von der Bundesregierung geplante Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes werden: In der gestrigen ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag kritisierten sozialdemokratische Politiker das Vorhaben scharf. Der SPD-Sozialpolitiker Adolf Ostertag sagte, seine Partei werde bei der Reform nicht mitmachen. Nach dem Gesetzentwurf soll der Druck auf Arbeitslose verstärkt werden, sich selbst um einen neuen Job zu kümmern. Auch sind drastische Kürzungen der Mittel für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in den neuen Ländern geplant. Nach Angaben des Bonner Arbeitsministeriums braucht das Gesetz die Zustimmung des Bundesrats, um in Kraft treten zu können. Dies war zuerst bestritten worden.

Das Gesetz sieht bei fehlendem Nachweis von Eigeninitiative um einen neuen Job deutliche Kürzungen der Leistungen des Arbeitsamtes vor. Zugleich soll Arbeitslosen auch die Annahme einer Tätigkeit unterhalb ihres Ausbildungsstandes zugemutet werden. Umgekehrt sollen die Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose aufgestockt und die Arbeitsvermittlung effektiver gestaltet werden. Dies soll Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe bringen.

Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) verteidigte die Reform im Bundestag mit dem Hinweis, es gehe darum, vor allem den Langzeitarbeitslosen Brücken in den Arbeitsmarkt zu bauen und den Mißbrauch der Arbeitslosenunterstützung zu unterbinden. Mit der Reform solle die „Zielgenauigkeit und Effektivät“ der Hilfen verbessert werden. Auch müsse verhindert werden, daß der sogenannte zweite Arbeitsmarkt, der auf staatlichen Förderleistungen basiert, ein „Parkplatz“ statt einer „Brücke“ in den normalen Arbeitsmarkt sei. Auch in Ostdeutschland müßten die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen langsam zurückgefahren werden. Der SPD-Politiker Ostertag sagte, mit der Gesetzesnovelle würden Arbeitlose weiter ins Abseits getrieben und das Tarifsystem weiter ausgehöhlt. Damit reihe sich das Vorhaben, das von Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) „diktiert“ sei, „bruchlos“ in das Sparprogramm der Bundesregierung ein. Durch das Arbeitsförderungsgesetz werde eine „soziale Abwärtsspirale“ zu Lasten der Arbeitslosen in Gang gesetzt. Die Abgeordnete von Bündnis90/ Grüne, Marieluise Beck, sagte „verheerende Auswirkungen“ des Gesetzes auf die neuen Bundesländer voraus.

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