Apple verbessert Store für Blinde: Wenn der Vorleser streikt
Die Kritik von Sehbehinderten am Betriebsystem iOS 6 zwang Apple zu einer schnellen Reaktion. Der App Store lässt sich wieder blind bedienen.
Apple-Geräte haben bei Seh- und Hörbehinderten eigentlich einen guten Ruf – so sind Macs, iPhones und iPads standardmäßig mit sogenannten Universal-Access-Funktionen ausgestattet, die mit VoiceOver Texte und Fensterelemente vorlesen oder sonst nur hörbare Warnmeldungen auf dem Bildschirm sichtbar machen.
Am heutigen Mittwoch erscheint nun iOS 6, Apples jüngstes Mobilbetriebssystem (läuft beispielsweise auf iPad und iPhone). Es ist ergänzt um einen neuen Kartendienst, bindet Facebook auf Wunsch enger ein und liefert eine Anwendung mit, die Tickets und Konzertkarten sammelt.
Vorab gab es aus wichtigen Nutzergruppe der Sehbehinderten vermehrt Kritik: Wie sich in Vorabversionen zeigte, veränderte der Computerkonzern einige der Funktionen, mit denen auch Sehbehinderte iOS nutzen können.
Mit negativen Folgen: So meldete das Fachblog „AppleVis“ am Wochenende, dass sich der wichtige App Store, mit dem sich im Apple-Universum neue Programme für die Geräte herunterladen lassen, kaum mehr benutzen ließ.
Eigentlich hilft eine Technik namens „VoiceOver“ Sehbehinderten dabei Apple-Tablets und Apple-Smartphones benutzen zu können. Für das Verfahren wichtig ist ein sogenannter Screenreader. Ist er aktiviert, liest eine gut verständliche Computerstimme jene Elemente auf dem Bildschirm vor, die man gerade berührt.
Screenreader versagte
In iOS 6 hatte Apple im App Store nun laut „AppleVis“ Änderungen vorgenommen, die den Screenreader versagen ließen. So war von fünf Elementen, die der Online-Laden zeigt, nur eines vollständig mittels VoiceOver nutzbar.
Man konnte beispielsweise nicht mehr vernünftig suchen, weil Apple das Design verändert hat – arbeitete der App Store zuvor mit einem einfachen Layout von oben nach unten, müssen die Suchergebnisse nun von rechts nach links gescrollt werden.
Ein Selektieren war so mittels VoiceOver nicht oder nur fehlerhaft möglich. Ähnliche problematisch war auch die Empfehlungsseite „Genius“: Hier führten ebenfalls Veränderungen der Darstellung zu VoiceOver-Schwierigkeiten. „Momentan ist der App Store mit VoiceOver nahezu unbenutzbar“, so das Fazit von „AppleVis“.
Doch Apple scheint die Klagen mittlerweile gehört zu haben. Wie das Fachblog am Dienstag meldete, nahm Apple Veränderungen in letzter Minute vor. Dementsprechend dürfte die Nutzung des App Store mit der heutigen offiziellen Veröffentlichung von iOS 6 auch für Sehbehinderte kein Problem mehr darstellen.
Änderungen in letzter Minute
Details, wie Apple das Problem behoben hat, nannte „AppleVis“ allerdings nicht – die Macher der Seite stehen unter einer Verschwiegenheitserklärung, solange iOS 6 nicht veröffentlicht ist. Das Beispiel zeigt, wie nur kleine Änderungen große Auswirkungen auf Nutzergruppen haben können, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind.
Sebastian Dellit, der auf der Seite „BLINDzeln“ für Sehbehinderte geeignete Computerspiele vorstellt, hat generell dafür Lob übrig. „Wenn ich das iOS als Beispiel nehme, dann wird durch die Entwicklungsumgebung von Apple bereits eine große Hilfe an die Hand gegeben, barrierefreie Spiele zu programmieren.“
Apple macht es Entwicklern sehr leicht, die VoiceOver-Technik zu nutzen: Sie müssen nur dafür sorgen, dass die einzelnen Menüs, Knöpfe oder Bilder im Softwarecode korrekt gekennzeichnet sind.
Nachdem VoiceOver dann ein Element vorgelesen hat, wird es über eine einfache Geste ausgelöst. Verschiedene Einstellmöglichkeiten sorgen dabei für eine durchaus angenehme Bedienung: So kann man etwa die Lesegeschwindigkeit einstellen, so dass VoiceOver auch bei längerer Benutzung nicht nervt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader