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Anwalt über Schadensersatz für NS-Opfer"Italien spielt Berlins Spiel mit"

Der Rechtsanwalt Joachim Lau vertritt bei dem Verfahren Italien gegen Deutschland vor dem Haager Gericht die NS-Opfer. Er glaubt sie werden im Verfahren vergessen.

Überlebender des Massakers von Distomo gedenkt getöteter Angehöriger. Bild: dpa
Michael Braun
Interview von Michael Braun

taz: Herr Lau, worum geht es in dem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH), in dem Deutschland gegen Italien steht?

Joachim Lau: In diesem internationalen Rechtsstreit klagt Deutschland die Anerkennung seiner Staatenimmunität vor italienischen Gerichten ein. Kurz: Deutschland will das Prinzip anerkannt sehen, dass Privatbürger, die im Zweiten Weltkrieg Opfer deutscher Verbrechen wurden, kein Recht darauf haben, vor ausländischen Gerichten Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Was heißt das konkret für Ihren Mandanten?

In Wirklichkeit geht es um die Annullierung der bescheidenen Schadenersatzansprüche des Herrn Ferrini in Höhe von 30.000 Euro, die ihm von einem italienischen Gericht dafür zugestanden worden sind, dass er zwischen 1944 und 1945 von den deutschen Truppen nach Thüringen verschleppt worden war, um dort mit einer Bullenpeitsche zur Arbeit in einer unterirdischen Waffenfabrik gezwungen zu werden.

Die von der deutschen Bundesregierung geltend gemachte Immunität eines ausländischen Staates vor ausländischen Gerichten hatte die italienische Justiz dem deutschen Staat im Fall des Herren Ferrini nicht mehr zugestanden. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Durchsetzung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit unter die universelle Gerichtsbarkeit aller Staaten fällt, weil durch solche schweren Menschenrechtsverstöße die internationale Rechtsordnung als Ganzes bedroht ist.

Wie viele Verfahren laufen denn noch in Italien gegen Deutschland?

Verfahren beginnt

Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag hat am Montag das Verfahren über die Zulässigkeit von Entschädigungsklagen gegen Deutschland im Zusammenhang mit NS-Verbrechen begonnen. Deutschland hatte das höchste Gericht der Vereinten Nationen angerufen, nachdem es von italienischen Gerichten zu Schadenersatzzahlungen verurteilt worden war. Damit verstoße Italien gegen das Völkerrechtsprinzip der Staatsimmunität, erklärte die Vertreterin Deutschlands, Susanne Wasum-Rainer, in Den Haag.

Der Anlass für das Verfahren in Den Haag war eine Klage eines ehemaligen italienischen NS-Zwangsarbeiters. Seine Entschädigungsklage gegen Deutschland war vom höchsten italienischen Gericht für zulässig erklärt worden. Wann die Richter eine Entscheidung treffen, steht noch nicht fest. (epd)

Meiner Kenntnis nach sind zwischen 200 und 300 Verfahren anhängig. Sehr wenige Verurteilungen sind bisher ergangen, sowohl wegen deutscher Massaker als auch wegen der Deportation und Zwangsarbeit.

Sie vertreten vor italienischen Gerichten auch griechische Mandanten, und auch um deren Ansprüche geht es jetzt in dem Verfahren vor dem IGH.

Da geht es um die Schadenersatzansprüche der Nachfahren von Opfern des Massakers von 1944 in dem Dorf Distomo. Im Jahre 2000 hat das Oberste Zivilgericht Griechenlands den Immunitätseinwand der Bundesrepublik zurückgewiesen mit der Begründung, dass der ausländische Staat bei der Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen stillschweigend auf seine völkerrechtlichen Immunitätsrechte verzichtet habe.

Die Vollstreckung des Urteils konnte dann jedoch in Griechenland nicht erfolgen, weil die griechische Regierung unter dem Druck der deutschen Regierung nicht die erforderliche Erlaubnis erteilt hatte. Wir haben deswegen das Distomo-Urteil in Italien zur Vollstreckung gebracht, weil hier nach einem Urteil des italienischen Verfassungsgerichts die Zustimmung der Regierung nicht erforderlich ist.

Joachim Lau

ist Anwalt und vertritt vor italienischen Gerichten italienische und griechische Opfer der NS-Besatzung sowie deren Nachfahren.

Sind Sie nicht froh, dass der IGH jetzt die Frage klären soll? Internationalen Gerichtshof

Keineswegs. Anstelle ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nachzukommen, hat die Bundesregierung es vorgezogen, den Gerichtshof in Den Haag anzurufen. Vor dem Weltgericht soll, abstrakt und abseits der Öffentlichkeit sowie ohne die Beteiligung der Betroffenen, über die innerstaatliche Zulässigkeit und Durchsetzbarkeit des Schadenersatzanspruchs von Herrn Ferrini verhandelt werden.

Und Italiens Regierung?

Sie spielt dieses Spiel der Bundesregierung mit. Die Berlusconi-Regierung hat sich, sicherlich auch wegen der wirtschaftlichen Dominanz Deutschlands, "überzeugen" lassen, einer "Klärung dieser Rechtsfrage vor dem Internationalen Gerichtshof zuzustimmen. Ohne diese Zustimmung hätte das Verfahren nicht eröffnet werden können.

Welcher Weg müsste stattdessen eingeschlagen werden?

Für die Entschädigungsfrage aus der Besatzungszeit zwischen 1943 und 1945 einschließlich der Zuständigkeit der jeweiligen nationalen ordentlichen Gerichte ist ausschließlich zuständig ein Schiedsgerichtshof oder der Europäische Gerichtshof. Denn Deutschland hat in rechtswidriger Weise sowohl die Forderungen meiner Mandanten als auch die Möglichkeit, diese gerichtlich geltend zu machen, aberkannt.

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4 Kommentare

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  • KK
    Karl K

    Jo, alte Hütte, sei gegrüßt auf diesem Wege.

     

    Sei sicher, dass eine Vielzahl deiner Weggefährten und darunter viele Richter , dir und deinen Klienten die Daumen drücken, dass dieses unwürdige Spiel ein Ende hat.

     

    Staatsimunität. Nicht nur ein Thema für    staats- und verfassungsrechtliche Seminare, wie sich zeigt. Daran hängen ein Rattenschwanz von rechtlichen Fragen. Gewiß.

    Nur - wie unsoverän muß eigentlich ein Staat in heutiger Zeit sein, solchenfalls nicht - unbeschadet aller rechtlichen Implikationen - Schadensersatz zu leisten.

    Stattdessen sich dem Ruch einer alterprobten, braunschwarzen Achse auszusetzen.

     

    Leider, wird man annehmen müssen, sind es die anderen unserer Weggefährten , die das verantworten.

    Ich denke da weniger an solche Gestalten wie den Ex-Justizminister Christean Wagner. Wer Assistent bei Kaufmann war, was könnte man von dem auch sonst erwarten.

     

    Nein. Aber nehmen wir Franz-Walter Steinmeier. Geschult in Ridder- und Häberle-Seminaren. Er müßte es also besser wissen.

    Zudem hätte er die Môglichkeit, diesem schamlosen Spiel aufgrund öffentlicher Debatte ein Ende zu bereiten

    Für ihn wäre es nämlich ein leichtes, eine entsprechende Debatte für einen humanes verantwortliches Eintreten der Bundesrepublik Deutschland in dieser Frage im Parlament in Gang zu setzen. Aber - nichts dergleichen.

     

    Es erinnert stark an sein Verhalten in der Kurnazsache, Denn obwohl es für die Staatshaftung in diesem Fall auf die Verschuldensfrage gar nicht ankommt, fand er auf die ausdrückliche Frage von Wolfgang Nescovic nicht einmal Worte des Bedauerns.

     

    Angesichts einer Nation, die für die Rettung selbstverschuldet desolater Banken Milliarden verbrennt, bleibt das Verhalten der BRD schlicht inhuman und schamlos.

     

    Sicher, vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand.

    Aber wie Niels Bohr mal anmerkte, man habe ihm gesagt. letzteres könne helfen, auch wenn man nicht daran glaube.

     

    Laß dich nicht ins Boxhorn jagen, brauch ich dir nicht zu sagen.

    Aber - du bist vor unvordenklichen Zeiten mit zwei Pferden transalpina gen Italien gezogen, hast die kleine Hannibal-Plakette am Sattelknauf gewonnen.

    DAS hätten diese älteren Herrschaften vom IStG doch nie gepackt.

  • G
    guntherkummerlande

    Meiner Meinung nach hätte Joachim Lau in Deutschland

    den Prozess, um Schadensersatz führen müssen.

    Die Risiken für Staaten sind unkalkulierbar,

    wenn beliebige Gerichte auf der Welt beliebige

    Strafen für andere Staaten rechtsverbindlich

    vorschreiben dürften.

    Nur Verbrechen gegen die Menschlichkeit,

    also Massenmord, Verstümmelung, Massenvergewaltigung

    sollten von ausländischen Gerichten innerhalb

    der EU abgehandelt werden dürfen.

    Hier liegt ein Fall der Freiheitsberaubung,

    physischer Demütigung und Wucher vor.

    Das ist schlimm. Es ist aber kein Verbrechen

    gegen die Menschlichkeit. Die Tat muß in Anbetracht

    des Umfeldes, der üblichen Löhne und der damligen Staatsform betrachtet

    werden.

    Die 30.000€ finde ich auch nicht zuviel verlangt,

    zumal er ja auch nicht mehr lang zu leben hat,

    eilt die Sache.

    Man sollte in Deutschland im Eilverfahren,

    aber mit Beweis der tatsächlichen

    Tatbestände (kein Geld der Mafia)hierüber entscheiden.

    Grundsätzlich dürfen unsere Gerichte nicht übergangen

    oder ausgehebelt werden bzw.von ausländischen

    Gerichten(außer EuGH) übergangen werden.

    Wir müssen und wollen unsere Angelegenheiten selber

    rechtsstaatlich vernünftig auch zu Lasten der BRD

    regeln.

    Er hat mit Sicherheit eine Entschädigung

    verdient, wenn die Anschuldigungen wahr sind,

    aber er soll das hier in Deutschland machen.

  • KK
    Karl K

    Jo, alte Hütte, sei gegrüßt auf diesem Wege. 

     

    Sei sicher, dass eine Vielzahl deiner Weggefährten und darunter viele Richter , dir und deinen Klienten die Daumen drücken, dass dieses unwürdige Spiel ein Ende hat. 

     

    Staatsimunität. Nicht nur ein Thema für    staats- und verfassungsrechtliche Seminare, wie sich zeigt. Daran hängen ein Rattenschwanz von rechtlichen Fragen. Gewiß. 

    Nur - wie unsoverän muß eigentlich ein Staat in heutiger Zeit sein, solchenfalls nicht - unbeschadet aller rechtlichen Implikationen - Schadensersatz zu leisten. 

    Stattdessen sich dem Ruch einer alterprobten, braunschwarzen Achse auszusetzen. 

     

    Leider, wird man annehmen müssen, sind es die anderen unserer Weggefährten , die das verantworten.

    Ich denke da weniger an solche Gestalten wie den Ex-Justizminister Christean Wagner. Wer Assistent bei Kaufmann war, was könnte man von dem auch sonst erwarten. 

     

    Nein. Aber nehmen wir Franz-Walter Steinmeier. Geschult in Ridder- und Häberle-Seminaren. Er müßte es also besser wissen.

     Zudem hätte er die Môglichkeit, diesem schamlosen Spiel aufgrund öffentlicher Debatte ein Ende zu bereiten

     Für ihn wäre es nämlich ein leichtes, eine entsprechende Debatte für einen humanes verantwortliches Eintreten der Bundesrepublik Deutschland in dieser Frage im Parlament in Gang zu setzen. Aber - nichts dergleichen. 

     

     Es erinnert stark an sein Verhalten in der Kurnazsache, Denn obwohl es für die Staatshaftung in diesem Fall auf die Verschuldensfrage gar nicht ankommt, fand er auf die ausdrückliche Frage von Wolfgang Nescovic nicht einmal Worte des Bedauerns.

     

    Angesichts einer Nation, die für die Rettung selbstverschuldet desolater Banken Milliarden verbrennt, bleibt das Verhalten der BRD schlicht inhuman und schamlos. 

     

    Sicher, vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand.

    Aber wie Niels Bohr mal anmerkte, man habe ihm gesagt. letzteres könne helfen, auch wenn man nicht daran glaubt.

  • L
    Leslie

    Man kann eine Forderung nicht "in rechtswidriger Weise aberkennen".

     

    Das ist eine blödsinnige Behauptung, die wohl in der Absicht gemacht wurde, Nicht-Juristen zu beeindrucken. Der Anwalt will halt für seine Mandanten so viel wie möglich rausholen - sein gutes Recht.

     

    Jedenfalls sind die deutschen Staatsbürger - ob eingebürgert oder schon immer deutsch - nicht verpflichtet, irgend jemandem Geld zu bezahlen für Dinge, mit denen sie persönlich nichts zu tun haben.

     

    Jeder Mensch der Welt hat das juristische und moralische Recht, eine solche Forderung zurückzuweisen.