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Archiv-Artikel

■ Antworten auf Asmus/Pollak und Semler Da schlägt die Dummheit Salto

betr.: „Ein transatlantisches Projekt“ (Amerikaner und Europäer müssen gemeinsam helfen, den Nahen Osten zu demokratisieren und zu modernisieren), taz vom 7. 1. 03

Das als „transatlantisches Projekt“ apostrophierte Gemisch aus Propagandabrei und scheinbar aufgeklärten Appetithäppchen sollte als das verstanden werden, was es ist, nämlich der eindringliche Appell an die Europäer, sich vom guten Doktor Dabbeljuh eine Lobotomie verpassen zu lassen. Asmus und Pollack liefern den humanistisch aromatisierten Zuckerguss für die verquaste Grütze, die größenwahnsinnige Imperialisten in den USA dem satten Westen als moralisches Fundament ihres „Führungsanspruchs“ unterzujubeln suchen, somit genau das, was Grüne und andere eitel bemühte Köpfe brauchen, um lauteren Gewissens ihre Resthirne abzugeben und sich in die Rolle des besinnungslosen Vasallen zu fügen.

Doch letztlich verscherbeln die beiden bloß das Brechmittel für eine der zähen Suppen, an der sie, beziehungsweise ihre Vorgänger wie Allen oder John Foster Dulles, entscheidend mit gerührt haben. […] Denn die Herren vom „Council on Foreign Relations“ und des „Brookings Institute“ sind nicht erst gestern angetreten, um die Welt außerhalb der USA in handzahme Idioten und garstige Buben aufzuteilen. Seit über sechzig Jahren tun sie nichts anderes. Mit durchschlagendem und meist blutigem Erfolg. Wenn irgendwer wesentlich dazu beigetragen hat, Demokratiebewegungen in Afghanistan, Persien, der Golfregion oder Nahost bereits im Ansatz zu torpedieren, mörderische Regime in den Sattel zu hieven und dort zu halten, dann die „Spezialisten“ aus dem Umfeld eben dieser „Think Tanks“.

Nun gedenken sie die grandiose Remedur zu inszenieren – gegen die von ihnen selber entworfenen und hypertroph gepäppelten Monster. […] Niedrig geschätzt sind es zwölf Millionen Tote, die die friedliebende Außenpolitik der Vereinigten Staaten seit Ende des Zweiten Weltkriegs produziert hat. Nur so ergibt das Gewese von „Schurkenstaat“ und „Krieg gegen den Terror“ wirklich Sinn – nämlich als postmodernes Neusprech.

Etwas mehr Bescheidenheit und weniger Doppelstandard stünde Asmus und Pollack gut zu Gesicht. Uns auch. Dann könnten wir vielleicht sogar über langfristige Lösungsansätze reden. Wie etwa den nicht ganz neuen, aber immer wieder aufrichtig wirkendes Erstaunen auslösenden Vorschlag, zur Abwechslung mal kein Mordwerkzeug mehr an Killer zu verschenken. Doch bis dahin ist es noch weit. […] Trostlos. Vorkriegszeit halt. Da schlägt die Dummheit Saltos. CHRISTOPH ERNST, Hamburg

betr.: „Abenteuerertum ist Grund genug“ von Christian Semler, taz vom 6. 1. 03

Aus der Erwiderung von Christian Semler auf den Aufsatz von Ralf Fücks lese ich so etwas wie Erstaunen und eine gewisse Ratlosigkeit des Verfassers über die Position des Leiters der Heinrich-Böll-Stiftung heraus. Das wiederum erstaunt mich; denn eigentlich müsste man sich doch aus langer gemeinsamer Grünen-/taz-Zeit kennen. War Fücks nicht von jeher ein Verfechter militärischer Interventionen für vorgeblich höhere Ziele? Die Geschichte der grünen Bundesdelegiertenkonferenzen ist in dieser Hinsicht eine wahre Fundgrube, an den vorläufig letzten von ihm eingebrachten Antrag beim Rostocker Parteitag werden sich viele Delegierte des pazifistischen Flügels mit unguten Gefühlen erinnern.

Im übrigen solte man nicht vergessen, dass Ralf Fücks – und andere, heute u. a. im Planungsstab des Auswärtigen Amts Tätige – aus der Politsekte KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschlands) stammen. Das prägt fürs Leben, und vielleicht gab es auch bei dem einen oder anderen eine entsprechende Disposition von Anfang an, sozusagen ad maioram gloriam progressionis mundi hinsichtlich der beim Hobeln anfallenden Späne nicht allzu pingelig zu sein – vorausgesetzt, man war selber nicht Span. Gestern also Unterstützung für den Menschheitsbeglücker Pol Pot, heute für die Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte. Die Kontinuität des Denkens ist offensichtlich, wenn auch sublimiert durch Sprache („Verantwortung des vereinten Deutschlands“), Habitus, Amt und Funktion, davon darf man sich jedoch nicht täuschen lassen. Wenn dann noch die gesamte bürgerliche Welt Beifall spendet für die in der „Realität Angekommenen“, wird gar aus Politprostitution eine Tugend. So einfach ist das, verehrter Herr Semler. JOCHEN SCHOLZ, Swisttal

Wenn die Vorstellungen der USA als „Abenteurertum“ gebrandtmarkt werden, so ist das noch zu wenig. „Nach der Besetzung des Iraks und der Beseitigung des Diktators, so die Vorstellung, sollte ein demokratisch-pluralistischer, westlich orientierter Staat aufgebaut werden.“ Christian Semler kritisiert mit Recht Autoren, die diese US-Argumentation fast übernehmen und damit arbeiten, etwa in der Art, dass über die Frage eines Irak „nach Saddam Hussein“ ein ernsthafter Diskurs geführt wird.

Mit dem Größenwahn eines Imperiums wird angenommen, dass man nicht nur berechtigt ist, überall auf der Welt militärisch zu intervenieren, sondern dass es auch klappt. Wenn man sich das, was die US-Regierung unter einem „Regimewechsel“ versteht, konkret vorstellt, kommt man zu folgendem Szenario: Die USA wissen nicht, wo sich die Bunker Saddam Husseins befinden, werden also auf Verdacht mit massiven bunkersprengenden Bomben „arbeiten“. Da ein Zufallstreffer unwahrscheinlich ist, wird viel vernichtet werden. Es könnte sein, dass der ganze verheerende Krieg, falls er tatsächlich stattfindet, nicht zum Ziel führt. Wenn man die Überlegung weiterführt, wird Saddam Hussein durch einen Krieg zu einer Art unsterblichem Arafat werden. Und auf jeden Fall wird die Bevölkerung sich organisieren und, sollten die USA wirklich Erfolg haben, das von ihnen eingesetzte Marionettenregime stürzen. Es ist jedoch gefährlich, von diesem „Erfolg“ auszugehen, wahrscheinlicher ist ein Chaos, das direkt zum nächsten Krieg führt. KATJA VIEBAHN, Oldenburg

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