Antrittsrede des wahren DFB-Präsidenten: „Holen wir die WM 2022 zu uns!“
Wolfgang Niersbach bleibt DFB-Präsident. Das wollte Andreas Rüttenauer auch mal werden. Wir dokumentieren, welche Antrittsrede er gehalten hätte.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Freundinnen des Fußballsports, lieber Herr Hainer!
Zunächst wende ich mich mit einer kleinen Bitte an Sie als Vorstandsvorsitzender unseres langjährigen Sponsors Adidas. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie unserem Bundestag einen Besuch abstatten, muss Sie aber gleichzeitig dazu auffordern, den Versammlungsraum wieder zu verlassen. Auch die Vertreter unserer anderen Partner Mercedes, Bitburger, Coca-Cola, Deutsche Post, Telekom, Allianz, Lufthansa, McDonald’s, Nivea, Rewe, Commerzbank, Dekra und SAP muss ich bitten, den Saal zu verlassen.
Lieber Herr Hopp, auf Wiedersehen!
Sicher haben Sie Verständnis, dass wir unsere Angelegenheiten ohne Sie besprechen wollen. Wir sind angetreten, den Bundestag des DFB zu einer unabhängigen, demokratischen Institution umzubauen. Vertreter von Wirtschaftsunternehmen haben dabei nichts verloren. Oder wie hättet ihr, meine lieben Freundinnen und Freunde, wohl reagiert, wenn bei der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestags in dieser Woche Vertreter der Automobilindustrie, des wichtigsten Finanziers der regierenden CDU, in den vorderen Sitzreihen in Berliner Reichstag Platz genommen hätten. So etwas gehört sich einfach nicht. Auf Wiedersehen!
Liebe Freundinnen und Freunde des Fußballsports, ich freue mich ganz besonders, euch heute ein paar Gedanken vorstellen zu können, die wir uns im Verbandspräsidium gemacht haben. Wir würden euch gerne darüber abstimmen lassen, ob sich der Deutsche Fußball-Bund für die Weltmeisterschaft 2022 bewerben soll. Dabei geht es nicht allein darum, Deutschland ein neues Sommermärchen zu bescheren. Wir möchten damit dem Weltverband Fifa helfen, die Entscheidung für Katar zu kassieren.
Der DFB hat entschieden, keine Sportler in ein Land zu entsenden, das trotz seiner unbeschreiblich großen Reichtümer nicht in der Lage ist, seinen unterbezahlten, leibeigenen Bauarbeitern genug Wasser zur Verfügung zu stellen, damit diese die Hitze überleben, in der sie ihre Arbeit verrichten müssen. Da sollte es für uns eine Selbstverständlichkeit sein, der Fifa als alternatives Austragungsland für die WM 2022 zur Verfügung zu stehen. Helfen wir also der Fifa dabei, das Problem Katar aus der Welt zu schaffen! Holen wir die WM ins Fußballland Deutschland!
Leider müssen wir, sehr geehrter Herr Präsident, lieber Michel Platini – schön, dass auch Sie gekommen sind – darauf bestehen, dass Sie bei der gewiss nicht einfachen Transformation des WM-Turniers von Katar nach Deutschland nicht in Erscheinung treten. Solange der Präsident der Europäischen Fußballunion nicht schlüssig erklären kann, inwieweit sein Treffen mit den katarischen Regenten beim damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ihn in seiner Entscheidung für Katar als WM-Ausrichter beeinflusst hat, ist er als Teilnehmer dieses Diskurses nicht erwünscht.
Wir fänden es ebenso unangebracht, wenn Sie sich, lieber Karl-Heinz Rummenigge, in diesen Diskurs einmischen würden. Wir können uns noch gut erinnern, wie Sie mit zwei wertvollen Uhren, die man Ihnen geschenkt hatte, aus Katar zurückgekehrt sind und in Ihrer Funktion als Chef der Europäischen Club-Vereinigung nur noch geschwärmt haben von dem Emirat am Golf. Aber machen Sie sich bitte keine Sorgen! Wir schaffen das auch ohne Sie!
Unser Kampf gegen Rassismus und Homophobie im Fußball gebietet es uns, auch das WM-Turnier 2018 in Russland kritisch zu bewerten. Die Vorbereitungen hierfür sind indes so weit gediehen, dass wir, anders als im Falle Katar, keinen Ausrichterwechsel vorschlagen wollen. Wir werden indes alles daransetzen, die Sportler, die wir nach Russland schicken, dazu aufzufordern, sich für die Gleichbehandlung aller Menschen einzusetzen, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bietet. Fußballer und Funktionäre sollen alle rassistischen und homophoben Vorkommnisse, die ihnen auffallen, dokumentieren und melden.
Der DFB würde sich freuen, wenn er 2018 zu einer Anlaufstelle für all diejenigen werden könnte, die in Russland vor und in den Stadien rassistisch oder homophob beleidigt werden. Ich bin der Meinung, dass wir dem Fußball das schuldig sind, dass es für uns Verbandsheinis manchmal wichtigere Dinge gibt, als endlich mal wieder einen Titel mit der Männernationalmannschaft zu gewinnen.
Ein solcher Titel, liebe Freundinnen und Freunde, wäre natürlich überaus schön und könnte uns mit seiner Strahlkraft helfen, einen Trend abzumildern, der uns doch sehr nachdenklich macht. Immer mehr Vereine können nicht mehr in allen Jahrgängen Jugendteams stellen. Von dem Fußballboom, der in der Bundesliga schier nicht enden mag, ist im Vereinssport kaum etwas zu spüren. Während im Amateurbereich literweise Herzblut in den Fußball investiert wird, kommt vom Milliardenbusiness der Bundesliga nur wenig im Vereinssport an.
Lasst uns also den Grundlagenvertrag mit der Deutschen Fußballliga kündigen und neu verhandeln, um Trainer im Freizeit- und Jugendbereich finanzieren zu können, um den Ehrenamtlern bezahlte Experten an die Seite stellen zu können, die ihnen beim Vereinsmanagement helfen können. Nur 6 Millionen Euro sind im vergangenen Jahr aus den Profiligen an den DFB geflossen. Halb so viel, haben allein Sie, lieber Herr Watzke, als Geschäftsführer von Borussia Dortmund verdient.
Vielen Mitgliedern, die mitbekommen haben, dass eines der am intensivsten diskutierten Themen des Amateurfußballkongresses im vergangenen Jahr die Durchsetzung höherer Mitgliedsbeiträge in den Vereinen war, ist das nicht mehr vermittelbar. Und auch den Steuerzahlern, die die unzähligen Bezirkssportanlagen finanzieren, auf denen täglich reger Trainings- und Spielbetrieb herrscht, ist immer schwerer zu vermitteln, dass so wenig vom großen Fußballgeld an der Basis ankommt. Wo ist sie, die viel beschworene Einheit von Profi- und Amateurfußball? Lasst uns aufhören, sie zu predigen, lasst uns beginnen, sie einzufordern!
Vielen Dank!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs