Antisemitismus-Antrag im Bundestag: Für Union ist Linke anti-israelisch
Im Streit um den Antrag zur Bekämpfung des Antisemitismus herrscht im Bundestag ein scharfer Ton. Politiker der CSU werfen der Linken vor, die Israel-Feindlichkeit der SED nahtlos fortzusetzen.
BERLIN/MÜNCHEN epd Die Auseinandersetzung um einen parteiübergreifenden Antisemitismus-Antrag im Bundestag gerät zu einem Schlagabtausch zwischen Union und Linken. Der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), wies Kritik von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zurück und erhob seinerseits schwere Vorwürfe: "Die Linke bleibt aus Tradition heraus anti-zionistisch und anti-israelisch. Sie knüpft mit dieser Haltung nahtlos an die Ablehnung des Staates Israels durch die SED und die extreme Linke in West-Deutschland an", sagte Guttenberg der Tageszeitung Die Welt. Guttenbergs Parteikollege Hans-Peter Uhl sagte der Süddeutschen Zeitung: "Es gibt in der Linkspartei eindeutig antisemitische Tendenzen."
Zuvor hatte Linken-Fraktionschef Gysi der Union vorgeworfen, ihren Hass auf die Linke über ihre historische Verantwortung zu stellen. Die CDU/CSU-Fraktion habe die Chance, dafür zu sorgen, dass der Bundestag geschlossen ein Signal gegen Antisemitismus setze, erklärte Gysi. Verzichte die Union darauf, beweise sie, dass ihr Hass auf die Linke größer sei als das Anliegen eines gemeinsamen Kampfes gegen den Antisemitismus.
Guttenberg sagte der Welt, die durch Gysi verlautbarte Empörung der Linken sei heuchlerisch. Gysi habe in seiner Partei bisher die Rolle des Vermittlers in dieser Frage gespielt. "Schüchterne Versuche von Gregor Gysi, die unnachgiebig antizionistische und anti-israelische Haltung der Linken zumindest nach außen zu flexibilisieren, wurden in der Partei erbittert und mit unverhohlen antisemitischem Unterton zurückgewiesen", sagte der CSU-Politiker. CSU-Innenpolitiker Uhl sagte: "Mit den Linken machen wir mit Sicherheit keinen Antrag gegen Antisemitismus."
Abgeordnete aller Fraktionen hatten sich nach einjährigen Beratungen auf einen Text zur Bekämpfung des Antisemitismus verständigt, der am 9. November zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht 1938 verabschiedet werden sollte. Darin wird auch die Berufung eines Antisemitismus-Beauftragten gefordert. Die Union legte Mitte Oktober jedoch zur Überraschung der übrigen Fraktionen eine neue Fassung vor, in der der Umgang der DDR mit der jüdischen Bevölkerung problematisiert wird. Zudem wurde die Linksfraktion aus dem Kopf des Antrags gestrichen.
Der SPD-Abgeordnete Gert Weisskirchen appellierte in der Süddeutschen Zeitung an die Union, ihre Haltung zu überdenken. "Wir sollten uns überlegen, ob es nicht bestimmte Themen gibt, die außerhalb der direkten Tageskonflikte so behandelt werden können, dass der Bundestag seine politische Stärke in seiner Gesamtheit in die Waagschale werfen kann", sagte Weisskirchen. Grünen-Politiker Jerzy Montag nannte die Äußerungen der Unionspolitiker im Gespräch mit dem Blatt "absolut unangemessen". "Uhl ist ein alter Krakeeler", sagte er.
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